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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion
Autoren: Pierre Emme
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sich Harry. Immer fällt sie von einem Extrem ins andere. Er nahm den Kleiderhaken und die Tragetasche mit dem übrigen Zeug und deponierte sie im Gästebad.
    Inzwischen hatte sich Prof. Dr. Wilfried Bachler in der Eingangshalle der großen Villa auf der Hohen Warte aufgebaut und zu seiner immer wieder gefürchteten Ansprache »Zur Lage der Familie« angesetzt.
    Mit seiner schwulstigen, seit Menschengedenken gleichlautenden Begrüßung »Verehrte Elisabeth, liebe Freunde und Kollegen, liebe Familienmitglieder« hatte der Neujahrsempfang offiziell begonnen und von Palinski war weit und breit noch immer nichts zu sehen.

     
    * * *

     
    Der kleine Bub wurde zunehmend ratloser. Gaby trank mehr als je zuvor und stank schon wieder wie, na ja, wie Gaby eben. Er hatte sie mit der Milch aus dem Kühlschrank versorgt. Der Vorrat ging jetzt aber langsam zur Neige. Vielleicht sollte er den Inhalt der einzigen noch vorhandenen Flasche etwas mit warmem Wasser mischen? Und so noch eine zusätzliche Portion gewinnen?
    Vorher musste er aber noch etwas gegen den wieder alles durchdringenden Gestank tun. Er breitete neuerlich Zeitungen auf dem Boden aus und richtete einen weiteren Polster zurecht . Dann lüftete er wild entschlossen die Decke, holte seine Schwester von ihrem Gackispiegel herunter und legte sie auf ihr neues Bettchen. Jetzt wickelte er das verbliebene Gesamtkunstwerk in das Leintuch aus dem Bett seiner Mutter und sperrte das seltsame Paket in die Truhe, in der Alfred seine Sportsachen liegen hatte. Der war sicher mit schuld an der ganzen Scheiße und sollte ruhig auch etwas davon abbekommen.
    Wo war eigentlich Tante Martha solange? Wusste sie nicht, dass Mami nicht da und er alleine mit Gaby war? Wenn sie nicht bald kam, würde er sich etwas einfallen lassen müssen.
    Aber was konnte er tun? Mami hatte ihm schon einmal das mit dem Telefon erklärt. Wie war das bloß gewesen? Er erinnerte sich, dass sie ihm etwas auf einen Zettel gezeichnet und diesen an die Wand geklebt hatte. Vielleicht sollte er sich das einmal ansehen.
    Ah, da war es. Ein Feuerwehrauto und daneben ein Baum mit nur einem Ast und zwei Bogenlampen. Dann ein Polizist mit dem gleichen Baum und zwei halbfertigen Schneemännern daneben, die auf einer Seite offen sind. Und was war das? Sah aus wie ein Rettungsauto mit schon wieder einem Baum und zwei umgedrehten Sesseln an der Seite.
    Aha, und hier am Telefon waren Tasten mit Zeichen. Die musste er drücken, das hatte er schon oft genug beobachtet. Ha, da war ja auch der komische Baum, die Bogenlampe und der komische Schneemann.
    Jetzt hatte Gaby wieder zu brüllen begonnen. Wenn sie hier bleiben wollte, dann musste sie aber lernen, den Mund zu halten. Der Bub nahm sich vor, das Gaby bei nächster Gelegenheit ganz deutlich klar zu machen. Sonst konnten die Leute, die übers Fernsehen ein Kind suchten, seine Schwester gerne abholen. Vielleicht gab es sogar ein paar Süßigkeiten dafür. Oder ein Eis, er liebte Eis.
    Aber eines nach dem anderen. Jetzt wollte er Gaby erst einmal etwas Milch anbieten.

     
    * * *

     
    Eben waren die beiden Streifenpolizisten Hellmer und Bartinek von ihren Erhebungen in Grinzing ins Kommissariat zurückgekehrt. Die Ausbeute von mehr als fünf Stunden Fragen nach einer unbekannten jungen Frau und einem fehlenden oder zumindest ausgetauschten Müllcontainer auf Rädern war eher mäßig. Immerhin waren die zwei, drei Hinweise, die man sich noch näher ansehen musste. Eine Buffethilfe im »Alten Rebstock« glaubte, die Frau so gegen 21 Uhr ins Lokal kommen gesehen zu haben und der Harmonikaspieler beim »Wurzner Hansl« war sich ziemlich sicher, dass sie nach 22 Uhr im Lokal mit einem Mann gesprochen hatte.
    Und im ›Kutscherhaus‹ hatten die beiden einen Container entdeckt, auf dem eine Studentin ihre Dienste als Babysitter in der Silvesternacht anbot. Mit Telefonnummer.
    »So was würde doch niemand auf dem hintersten von drei Containern im dunkelsten Eck des Hofes eines Heurigenlokales anbringen«, argumentierte Bartinek durchaus schlüssig. »Sondern an einem Ort, wo das Angebot von möglichst vielen Menschen gesehen werden kann.«
    »Haben Sie schon versucht, diese ...«,
    Wallner blickte auf den gelben Wisch, »Melinda Mayer anzurufen«?
    »Ja, schon zweimal. Aber es hat sich nie jemand gemeldet. Nicht einmal eine Mailbox«, antwortete Hellmer.
    »Gut gemacht, Leute«, lobte Wallner. »Wie viele Lokale sind jetzt noch übrig ?«
    »Also die zwischen Endstation der Linie 38
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