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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion
Autoren: Pierre Emme
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jemand sagt, dass er von Fritz geschickt worden ist, das bin ich, weißt du, dann musst du ihm die Türe aufmachen. Geht das in Ordnung ?«
    »Ja Fritz, geht in Ordnung«, Martin war stolz, einen echten Polizisten namens Fritz zu kennen.
    »Übrigens Martin, kannst du schon Ziffern lesen ?«
    »Nein, aber Mami hat ein Polizeiauto aufgezeichnet und daneben diesen komischen Baum mit einem Ast und die beiden offenen Schneemänner ohne Kopf. So habe ich dich anrufen können .«
    Der Beamte hatte eifrig mitgeschrieben. Jetzt hatte er noch eine Idee, die ihm einen Versuch wert schien.
    »Das hast du sehr gut gemacht. Schau einmal nach, ob auf dem Telefon irgendwo ein Zettel klebt, auf dem sieben«, er korrigierte sich, »mehrere so komische Zeichen aufgemalt sind. Offene oder geschlossene Schneemänner oder komische Bäume, du weißt schon, was ich meine .«
    Hoffentlich hatten auch Martins Eltern die eigene Nummer am Apparat vermerkt.
    »Ja, da ist etwas«, meldete sich der kleine Bub wieder.
    »Dann beschreibe mir einmal, was für Zeichen das sind«, ermunterte der Beamte den Buben.
    »Also da ist einmal ein umgedrehter Sessel, daneben ein Ei und daneben eine Bogenlampe. Dann noch ein umgedrehter Sessel und eine Bogenlampe und dann noch zwei Schneemänner ohne Kopf.«
    Der Beamte hatte rasch Zugang zur Bildsprache Martins gefunden, wie die nächste Frage bewies. »Sind die beiden Schneemänner offen oder nicht ?«
    »Nicht offen«, antwortete Martin und der Beamte notierte 88 und das ganz ohne Fragezeichen.
    »Gut Martin, ich glaube, ich weiß jetzt, wo ihr seid. Es kann aber noch etwas dauern, bis wir bei euch sind. Wir müssen ja noch Schokolade besorgen. Falls es etwas gibt, ruf uns nochmals an. Falls wir etwas von dir wollen, rufe ich dich an. Also geh an das Telefon, wenn es klingelt .«
    »Gut Fritz, Danke schön. Du bist jetzt mein bester Freund .«
    Nachdem der Beamte aufgelegt hatte, brach spontaner Beifall aus. Die inzwischen auf fünf Personen angewachsene Schar an zuhörenden Kollegen fand einhellig gut, was ihr Kollege in den letzten Minuten gezeigt hatte.
    »Das war prima Arbeit«, anerkannte sogar der sonst eher lobkarge Diensthabende und klopfte Fritz anerkennend auf die Schulter. »So, und jetzt müssen wir sofort die Kollegin Aigner im Koat Josefstadt informieren. Für die wird die Nachricht Labsal für die gequälte Seele sein .«
    »Kann ich mitfahren, wenn Martin und seine Schwester geholt werden ?« Der Beamte namens Fritz blickte seinen Vorgesetzten bittend an. »Ich muss ja auch darauf achten, dass die Schokolade nicht vergessen wird .«
    »Ich denke, das haben Sie sich ehrlich verdient. Abgesehen davon sind Sie für den Buben ja so etwas wie die Person seines Vertrauens. Von mir aus geht das in Ordnung .«
    Franca brach in Tränen aus, als sie die gute Nachricht erreichte. Der Beamte Fritz Neubauer machte sich sofort auf den Weg zu ihr. In der Zwischenzeit versuchte sein Vorgesetzter die letzten Geheimnisse um Martins Aufenthaltsort mit Hilfe der Telefongesellschaft zu lüften.

     
    * * *

     
    Während sich die vermeintlich gute Nachricht in Windeseile über die Polizeikanäle in ganz Wien verbreitete und die Spannung urplötzlich aus der ganzen Angelegenheit zu weichen drohte, sah sich Palinski einer geschlossenen Front aus offener Ablehnung und eisiger Ignoranz gegenüber. Lediglich Tina und Harry verhielten sich normal. Nicht, dass sie seine Partei ergriffen hätten, das nicht. Aber sie hielten sich aus der ganzen Sache zumindest einmal heraus.
    Dass Wilma sauer auf ihn war, war verständlich. Auch dass sich die Gastgeber über seinen unpassenden Aufzug, Jeans, Pullover und Freizeitjacke nicht begeistert zeigten, konnte er nachvollziehen. Warum ihn aber Wilmas Tante Anita anfunkelte, als ob er am helllichten Vormittag vor dem Wiener Rathaus einen minderjährigen Knaben unsittlich berührt hätte, war ihm unverständlich. Und die meisten der Gäste, die er zumindest vom Sehen kannte, blickten betreten bis peinlich berührt überall hin nur nicht zu ihm.
    Erstaunlicherweise war die Konfrontation mit der Ex-Primaria relativ glimpflich verlaufen. Als Palinski ihr die Hand gegeben und sich statt mit einer konventionellen Begrüßung mit den Worten »Na, schon die langen Messer gewetzt ?« in Szene gesetzt hatte, hatte sie bloß »du bist schon eine ganz besondere Nummer« gesagt und dazu gelacht. Einen vergleichsweise liebevollen Empfang, hatte er gefunden. Eine Begegnung mit dem von seinen
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