Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
Vom Netzwerk:

    »Das ist kein Blödsinn, junger Mann«, kam Hilfe von unerwarteter Seite, »sondern ein hübsches kleines Paradoxon .« Es war Professor Ziegler, ein Rechtsphilosoph und Freund Wilfried Bachlers, der sich im übertragenden Sinne an Palinskis Seite stellte.
    »Kommt mir vor wie eine Variation des Paradoxons des Epimenides«, fügte er noch hinzu.
    »Gut erkannt, Herr Professor .« Palinski hatte keine Ahnung, wer dieser Epidemikus oder wie immer auch war, aber wer war er schon, einem veritablen Universitätsprofessor zu widersprechen.
    »In Anbetracht der geglückten Bearbeitung will ich es aber in Zukunft Palinskis Paradoxon nennen .«
    »Das will ich mir gerne merken«, lachte Ziegler und prostete dem Namensgeber der »neuen« Paradoxie zu.
    Wer glaubte, der philosophische Diskurs hätte Tante Anitas Aggressionen beseitigt, der irrte gewaltig.
    »Das ist wieder einmal typisch für dieses Pack«, gab sie völlig unerwartet von sich und strapazierte damit sowohl die Fähigkeit als auch die Bereitschaft der Anwesenden, ihren scheinbaren Gedankensprüngen zu folgen. Dabei hatte sie sich nur an der Sache mit dem Säugling verbissen. »Kommen zu uns, leben von unseren Steuergeldern, lassen sich schwängern und achten dann nicht auf ihre Kinder. Kein Wunder, dass dann solche Sachen geschehen.«
    Palinski glaubte, sich verhört zu haben. Diese Frau war sicher für viele Fettnäpfchen gut, aber der letzte Sager musste trotzdem ein Hörfehler gewesen sein. So was konnte es doch nicht mehr geben.
    »Habe ich Sie richtig verstanden? Sie meinen, dass das zwei Monate alte Kind mehr oder weniger selbst schuld an seinem Schicksal ist. Sozusagen im Rahmen einer Kollektivschuld für Fehler der Mutter mithaftet. Wobei noch überhaupt nicht klar ist, ob die Mutter einen Fehler gemacht hat .« Er funkelte die alte Dame böse an.
    »Im Wesentlichen haben Sie recht«, bestätigte Tante Anita.
    »Dann bleibt mir nur eines zu sagen .« Er baute sich vor der Frau auf und blickte ihr voll ins Gesicht. »Halten Sie bitte Ihr Schandmaul, bevor ich mich noch vergesse .«
    Anita wurde käseweiß im Gesicht, dann fing sie an zu schreien. »Elisabeth, wirf diesen impertinenten Menschen hinaus. Er ist eine Schande für dieses Haus. So eine Frechheit, mir den Mund verbieten zu wollen. Und noch dazu mit diesen Worten.«
    Jetzt setzen auch die Reaktionen der anderen ein. Albert ergriff als einziger die Partei seiner Mutter. Einige andere Gäste diskutierten über die Wortwahl. »Aber in der Sache hat er recht, so menschenverachtend spricht man nicht«, war der mehrheitliche Tenor, soweit Palinski das mitbekam. Wieder andere zwinkerten ihm zu und deuteten Applaus an. Den Vogel schoss aber jemand ab, von dem er es eigentlich nicht erwartet hätte.
    »Anita, gib Ruhe«, wies Elisabeth Bachler ihre Schwester zurück. »Oder um Palinski zu zitieren. Halt endlich den Mund .« Dann ging sie zu ihrem »Seit 24 Jahren Nicht-, aber vielleicht schon bald Schwiegersohn« und legte ihm den Arm um die Schulter.
    »Und du gehst jetzt besser, Mario«, meinte sie freundlich, »das Baby braucht dich vermutlich dringender als wir hier .«
    Palinski hatte Tränen in den Augen. Gott, wie er diese Frau im Augenblick verehrte. »Danke Elisabeth«, sagte er leise und küsste sie auf die Wange. Das erste Mal in seinem Leben.
    Natürlich ließen sich Tina und Harry die Gelegenheit nicht entgehen, der aus ihrer Sicht absolut lähmenden Veranstaltung zu entkommen. Natürlich nur aus Solidarität mit ihrem Vater. Was blieb Wilma da noch anderes übrig, als sich ihrer kleinen Familie anzuschließen.
    Palinski war schon an der Türe, als sein Handy klingelte. Es war Helmut Wallner, der ihm die freudige Nachricht übermittelte, dass man den Säugling wahrscheinlich gefunden hatte. »Ich fahre jetzt ins Koat Josefstadt. Kommst du auch hin ?«
    Welche Frage, dachte Palinski, dann ging er noch einmal ins Haus zurück und verbreitete die optimistisch stimmende Nachricht.
    Wilma erklärte sich sofort bereit, ihn in die Stadt zu bringen. »Vielleicht kann ich ja helfen ?« , meinte sie und Palinski fand das besonders nett.
    Gerade als sie starten wollte, sprang Harry nochmals aus dem Auto. »Ich habe etwas vergessen, bin gleich wieder da .« Er hatte nicht zuviel versprochen. Zwei Minuten später erschien er mit dem Anzug seines Vaters am Kleiderbügel und all dem anderen, was man noch so brauchte, um sich stadtfein zu machen.
    Palinski war glücklich. Mit so einer Familie konnte man

Weitere Kostenlose Bücher