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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion
Autoren: Pierre Emme
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erst etwas mehr als vier Jahre alt, aber er war intelligent. Und hatte in den vergangenen 14 Stunden einiges an Reife dazu gewonnen. Instinktiv spürte er, dass Tante Martha nicht kommen würde. Seine Mutter und Alfred waren auch nicht vor morgen Mittag zu erwarten. Die Milch war bis auf ein halbes, mit Wasser aufgefülltes Flascherl aufgebraucht und die letzten Zeitungen hatte er vor kurzem ausgelegt. Gaby schlief zwar im Augenblick, aber das konnte sich rasch wieder ändern, wie er inzwischen aus Erfahrung wusste. Komisch, an den Gestank des schwesterlichen Gackies ...
    Scheiße klang eigentlich viel besser, fand er, es klang so erwachsen. Also an den Gestank von Gabys Scheiße hatte er sich inzwischen gewöhnt. Aber dennoch, es musste etwas geschehen.
    Vorsichtig näherte er sich dem Telefon und begann, den Knopf mit dem komischen Baum und dann zweimal den seltsamen offenen Schneemann ohne Kopf einzutippen.
    Die rasche und vor allem etwas forsche Meldung »Polizei« machte den Buben etwas unsicher. »Hier Martin« flüsterte er leise in den Hörer.
    »Bitte sprechen Sie lauter, ich kann Sie kaum verstehen«, bellte der pflichtbewusste Beamte in die Festnetzleitung.
    »Hier ist Martin«, der Bub sprach so laut, wie er sich unter den gegebenen Umständen traute. »Und meine Schwester hat nichts mehr zu Trinken und es stinkt nach Scheiße .« Das letzte Wort war schon ziemlich laut über seine Lippen gekommen, fand Martin.
    Endlich ging dem Beamten, der natürlich über die inzwischen von fast 600 Personen betriebene Suche Bescheid wusste, ein Licht auf. Was heißt, eine ganze Flutlichtanlage.
    »Wie alt bist du denn, Martin ?« , mit einem seinem rauen Äußeren Lügen strafenden Feingefühl ging der Polizist auf seinen offensichtlich sehr jungen Gesprächspartner ein.
    »Weiß ich nicht genau, aber viel älter als Gaby .«
    »Gehst du schon in die Schule ?«
    »Nein, in den Kindergarten zur Tante Elfie.«
    Eifrig notierte der Beamte »Tante Elfie .«
    »Und wie alt ist deine Schwester ?«
    »Weiß nicht, aber noch sehr klein. Sie schreit den ganzen Tag oder sie schläft. Jetzt habe ich keine Milch mehr für sie, da wird sie noch mehr brüllen .«
    »Wo ist den deine Mama ?«
    »Weiß nicht, mit Alfred weggefahren .«
    »Weißt du, wo du wohnst ?«
    »Ja, zu Hause.«
    Der Beamte lachte. »Das weiß ich schon. Aber weißt du, wie die Straße heißt, in der sich Eure Wohnung befindet ?«
    »Ich glaube, Girtl oder so ähnlich .«
    »Meinst du Gürtel ?«
    »Weiß nicht, vielleicht.«
    »Martin, wie heißt du mit Nachnamen?«
    »Weiß nicht .«
    »Und weißt du, wie Dein Papa heißt ?«
    »Ja, Gerhard Nemetschek oder so ähnlich«
    Der Beamte notierte »Gerhard Nemetschek« und machte ein Fragezeichen dahinter.
    »Höre mal, Martin. Wenn du aus dem Fenster schaust, was siehst du da ?«
    Der Beamte hörte, wie der Hörer weggelegt wurde, dann war es mehrere Sekunden lang still. Endlich meldete sich Martin wieder.
    »Na, was siehst du, wenn du aus dem Fenster schaust ?« , wiederholte der Polizist.
    »Es schneit und sieht sehr schön aus .«
    Langsam wurde der Beamte ungeduldig, rief sich aber mit dem Hinweis, dass es sich um ein kleines Kind handelte, selbst wieder zur Ordnung. »Und was kannst du noch sehen ?«
    »Die Klopfstange und ein paar Mistkübel.«
    Hätte das Gespräch nicht einen derart ernsten Hintergrund gehabt, der Beamte hätte jetzt laut losgelacht.
    »Habt ihr auch ein Fenster zur Straße ?« , wollte er wissen.
    »Ja, haben wir. Sogar drei.«
    »Und was kann man sehen, wenn man auf die Straße schaut ?«
    »Einen Moment«, Martin legte den Hörer zur Seite und trippelte neuerlich davon. Diesmal dauerte es etwas länger, bis er sich wieder meldete.
    »Es schneit noch immer. Und ich kann eine große Kirche sehen und eine Eisenbahn und eine Eisenbahnstation. Stell dir vor, auf der anderen Seite ist gerade ein Lastauto in ein anderes Auto hineingefahren .«
    Viel mehr war aus dem Buben wahrscheinlich nicht heraus zu bekommen. Mit den vorhandenen Angaben müsste es aber möglich sein, die Wohnung zu finden, dachte der einfühlsame Beamte. Aber das konnte einige Zeit in Anspruch nehmen. Daher für alle Fälle: »Martin, demnächst wird jemand von der Polizei kommen und euch frische Milch vorbeibringen .«
    »Ja, und auch Schokolade«, Martin war begeistert, außer dem alten Brot, das er in der Küche gefunden hatte, hatte er heute noch nichts gegessen.
    »Also gut, auch Schokolade. Wenn es läutet und dir
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