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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion
Autoren: Pierre Emme
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Wilfrieds Vater, selbst Jurist, war bereits viel toleranter, sein einziger Sohn konnte sich einen der drei Berufe auswählen. So war er ein anerkannter Strafrechtsprofessor, Dekan der Fakultät und fast sogar Rektor der Universität Wien geworden. Das »fast« schmerzte ihn heute noch.
    Wesentlich traditionsbewusster ging es da noch in der Familie seines Onkels zu. Einer seiner Cousins war SS-Offizier gewesen, der zweite Anwalt in Berlin. Der dritte Cousin, ein streitbarer Franziskanermönch, war im KZ Mauthausen ums Leben gekommen.
    Frau Prof. Dr. Elisabeth Bachler stammte aus der bekannten Wiener Ärztedynastie der Danzingers. Mediziner, soweit der Stammbaum reichte. Als parteiunabhängige Spitzenmedizinerin war sie siebzehn Jahre lang Primarärztin der HNO Abteilung eines großen Wiener Spitals gewesen. Eine auch aus heutiger Sicht beeindruckende Karriere, wie Palinski neidlos anerkannte. Wilmas Eltern hatten »den Mario« anfangs total abgelehnt. Dieses gesellschaftliche und finanzielle Nichts von Mann kam für ihre einzige Tochter einfach nicht in Frage. War sicher nur hinter ihrem Geld und den Beziehungen der Familie her. Aber seine Beharrlichkeit und Wilmas Sturheit behielten die Oberhand. Genau genommen verdankte Tina ihre Existenz dem sexuellen Justament ihrer Eltern, die damit unabänderliche Tatsachen schaffen wollten. Familienintern wurde »Justina« daher auch heute noch mit »Jetzt erst recht« übersetzt.
    Ohne dass er sich sonderlich darum bemüht hätte, war es Palinski über die Jahre hinweg gelungen, die Akzeptanz, ja sogar den Respekt der Großeltern seiner Kinder zu erlangen. Insgeheim mochten sich die drei sogar, wusste Wilma. Aber jeder von ihnen würde sich eher die Zunge abbeißen, bevor er das zugegeben hätte.
    Im Grunde genommen waren die Bachlers gar nicht so übel, hatte sich Palinski erst kürzlich eingestanden. Wenn da nicht dieses schreckliche Sendungsbewusstsein gewesen wäre. Dieser oft peinlich anmutende Glaube, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein und jedem sagen zu müssen, was er zu tun und was er zu lassen hatte. Das Schlimmste war aber, dass es als Majestätsbeleidigung angesehen wurde, wenn man ihren Anordnungen nicht Folge leistete.
    Wilma sah wundervoll aus in ihrem klassischen schwarzen Hosenanzug mit der langen Jacke und der schlichten zweireihigen Perlenkette. Im Gegensatz zu ihrem Äußeren sah es in ihrem Inneren momentan gar nicht gut aus. Sie war stinksauer auf Palinski. Nicht nur, dass er sich am Morgen einfach aus dem feiertäglichen Familienleben ausgeklinkt hatte. Aber dafür gab es einen wirklich guten, stündlich im Fernsehen in Erinnerung gerufenen Grund. Das war es nicht. Aber dass er in den vergangenen zehn Stunden nicht imstande gewesen war, zumindest einmal anzurufen, war wirklich nicht einzusehen. Um ihm ihr Entgegenkommen zu demonstrieren und dass sie mitdachte, hatte sie sogar seinen Anzug und die zugehörigen Accessoires mitgebracht.
    Jetzt stand sie hier unter den festlich gewandeten Verwandten und Freunden der Familie, die Verkleidung ihres Mannes am hoch gehaltenen Kleiderbügel und musste sich den in seiner Milde an Salzsäure erinnernden Spott der Leute gefallen lassen.
    »Na, muss Mario auch heute die Welt retten ?« , oder »Wo ist denn der selbsternannte Herr Krimiliteraturrat?« waren noch die freundlichsten Flachsereien. Seit er sein »Institut für Kriminalitera...«, sie konnte den unmöglichen Begriff noch immer nicht richtig aussprechen. Nochmals, seit er dieses Institut gegründet hatte und bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Werbetrommel dafür rührte, wurde sie von allen Seiten darauf angesprochen.
    Meistens allerdings nicht ernsthaft. Aber das wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn Palinski nur endlich aufgetaucht wäre. Obwohl sie gerade in letzter Zeit wieder voll hinter seinen Aktivitäten stand, hatte sie es wirklich satt, immer wieder irgendwelche Erklärungen dazu abgeben zu müssen. Das sollte er schon selbst machen.
    »Willst du den Anzug nicht irgendwo aufhängen ?« , meinte Harry. »Irgendwie sieht das komisch aus, wenn du so da stehst .« Er hob den rechten Arm, verzog das Gesicht zu einer verkniffenen Maske und rollte die Augen. Die Kostprobe seines pantomimischen Talents brachte Wilma zum Lachen und hatte damit ihren Zweck erfüllt.
    »Du hast völlig recht«, sie lächelte den jungen Mann an. »Kannst du mir das Zeug abnehmen? Am Besten, du wirfst den ganzen Krempel in den Müll .«
    Typisch Mutter, dachte
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