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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion
Autoren: Pierre Emme
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das Verhalten seiner Freundin.
    Palinski verstand auch ohne Erklärungen. Gefühlsmäßig würde er sich auf der Suche wahrscheinlich auch besser fühlen. Aber sein Verstand sagte ihm, dass sein Einsatz hier auch im Interesse des Kindes effizienter war.
    »Ich denke, ich kenne jemanden, der uns mehr zu den Typen von der extremen Rechten erzählen kann«, meinte er und griff zum Telefonbuch. Nach einigem Blättern fand er den Namen. Jetzt musste der Kerl nur noch zu Hause sein. Palinski hatte Glück und Falk Geyer, ein bisschen viel Vogel für einen Menschen, war zu Hause. Und erstaunlicherweise auch bereit zu helfen. Er wollte in einer Stunde im Kommissariat sein.
    In der Zwischenzeit grenzten die beiden Männer den wahrscheinlichen Bewegungsradius des Müllcontainers auf den Teil Grinzings oberhalb der Endstation der Straßenbahnlinie 38 ein. Niemand würde die mindestens 300 Meter aus dem unteren Teil des Ortes bergauf bis zur Fundstelle mit einem Container samt Leiche auf sich nehmen. Auch nicht um drei oder vier Uhr morgens. So lautete die vernünftige, von beiden getragene Arbeitshypothese. Kurz darauf machten sich zwei mit dem Phantombild der Toten bewaffnete uniformierte Beamte auf den Weg, die Heurigenbetriebe im festgelegten Gebiet zu besuchen. Um zu fragen, ob jemand die junge Frau gesehen hatte und nach einem fehlenden oder nicht hingehörenden Müllcontainer Ausschau zu halten.

     
    * * *

     
    Langsam hatte der kleine Bub die Nase voll und das nicht nur im übertragenen Sinne des Wortes. Der unverwechselbare Gestank von Gacki, Gabys Gacki, erfüllte inzwischen den letzten Winkel der Wohnung. Nur auf dem Klo konnte man es noch einigermaßen aushalten. Aber wer wollte schon so lange da drinnen sitzen, ohne Fernsehen und so?
    Schließlich siegte die kindliche Entschlossenheit über seinen steigenden Frust. Er wollte sich dem Problem stellen und etwas unternehmen. Was hätte Mami in dieser Situation getan? Er wusste es nicht, denn es hatte nie zuvor so gestunken. Es hatte schon angebrannt gerochen, nach seltsamen Flüssigkeiten und auch nach Zigaretten, aber noch nie so nach Gaby.
    Unter Ignorierung des fast übermächtigen Fluchtdranges näherte er sich dem Bettchen des Babys und riskierte einen vorsichtigen Blick unter die Decke seiner Schwester. Eine geballte Ladung Gestankes schlug ihm entgegen und er erkannte mit einem Blick, worin das Problem bestand. Gaby sah aus, als ob sie sich in eine riesige Portion Schokoladen-, vielleicht eher Haselnusseis gesetzt und sich das inzwischen geschmolzene Gefrorene um ihren Unterleib herum verteilt hätte. Nur dass Schokoeis nicht so stank, auch nicht Haselnuss. So eine Scheiße. Er kannte das Wort eigentlich noch gar nicht, hatte es aber schon öfters gehört und fand, dass es ganz gut auf diese Situation passte.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
    Er genoss es, das scharfe ß zuerst durch seine Milchzähne zischen und das nachfolgende »e« unter der Zunge verschwinden zu lassen. Oder so ähnlich.
    Jetzt nahm er eine Zeitung vom Altpapierstapel und breitete sie am Boden aus. Sicherheitshalber legte er auch noch die Wochenendbeilage darüber. Dann nahm er einen der bunten Polster von der Couch und legte ihn auf das Rechteck aus bedrucktem Papier. Von da an wurde es langsam grauslich, aber er hatte sich etwas vorgenommen und das würde er auch erledigen. Vorsichtig, die Luft anhaltend und kurz gegen einen Brechreiz ankämpfend, hob er Gaby jetzt aus ihrem Bettchen und legte sie vorsichtig auf die Zeitung. Die Kleine fand das offenbar lustig und da sie gerade keinen Hunger hatte, strahlte sie ihren Bruder an. Dem war das gar nicht recht, denn er war ja eigentlich stocksauer auf das kleine stinkende Monster. Wenn sie ihn weiter so anlächelte, würde ihm das aber mit der Zeit verdammt schwer fallen.
    Jetzt holte er noch eine Decke aus Mamis Zimmer und breitete sie vorsichtig über die Schwester. Die nächsten Schritte hatte er sich ganz genau überlegt, er benötigte ein großes Tuch, am besten ein Lein- oder Tischtuch. In dieses konnte er den ganzen Inhalt von Gabys Bett einschlagen und diesen Packen dann irgendwo verstauen, wo man ihn nicht mehr riechen konnte.
    Nachdem er den ganzen Mist in Mamis Kleiderschrank verstaut hatte, dem mit der verschließbaren Türe, kam er in das Wohnzimmer zurück. Gaby war mit ihrer neuen Liege offenbar zufrieden und schlief zur Abwechslung wieder einmal. Die Geruchssituation hatte sich auch schon etwas gebessert und in Kürze würde
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