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Heuchler

Heuchler

Titel: Heuchler
Autoren: Mark Franley
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seiner Seele eine Pause.

– 25 –
     
     
    Trotz der Enge des Büros schafften es Peter und Henrik, unruhig darin herumzulaufen. Inzwischen waren mehrere Stunden vergangen, seit sie ihre finnischen Kollegen informiert hatten, und alles, was man ihnen seitdem sagen konnte, war, dass die beiden beauftragten Kommissare einen Notruf abgesetzt hatten.
»Kann ich auch mal an den Rechner?«, fragte Peter.
»Sicher«, antwortete Henrik, setzte sich auf den Bürostuhl, meldete sein Benutzerkonto ab und ließ Peter wieder an den Schreibtisch. Nach wenigen Eingaben erschien das Bild seiner Ärztin als Hintergrundbild und einige Anwendungen starteten sich automatisch. Schließlich verkündete das E-Mail-Programm mit mehrmaligem Klingeln, dass er ungelesene E-Mails hatte.
»Was ist das denn?«, sagte Peter zu sich selbst, worauf Henrik interessiert näher kam. Zunächst sah er nicht, was seinen Kollegen verwundert hatte, bis ihm der Absender der neuesten E-Mail ins Auge fiel. Eigentlich war es unmöglich, aber in der Adresszeile fehlt alles, was eine gültige E-Mail-Adresse ausmachte. Es gab weder ein At-Zeichen noch eine Länderkennung. Noch seltsamer war allerdings, dass hinter der Betreffzeile das Zeichen der bestandenen Virenprüfung stand, was nicht sein konnte, da er selbst der Verantwortliche für diese Software war und sie somit genau kannte. Jedes Datenpaket, das den Server des Präsidiums erreichte, durchlief einen Scan, der diese Anomalie sofort hätte melden müssen.
Nach allem, was sie in den letzten Tagen herausgefunden hatten, schrillten sofort sämtliche Alarmglocken. Noa hatte, ohne dass er selbst auch nur etwas davon ahnte, praktisch die absolute Gewalt über die gesamte Computertechnik in diesem Haus.
»Öffne das nicht!«, schrie Henrik, doch es war zu spät und ein neues Bildschirmfenster klappte auf. Aber alles, was es enthielt, war eine einzige Internetadresse.
»Soll ich?«, fragte Peter kleinlaut.
»Ist auch schon egal«, erwiderte Henrik und Peter betätigte erneut die Maustaste. Diesmal startete sich ein Medienprogramm und eine Sanduhr, die sich eine gefühlte Ewigkeit drehte, erschien.
»Was dauert denn da so lange?«, fluchte Peter, worauf Henrik ihm erklärte, dass Livestreams immer etwas brauchten, weil erst einige Daten gepuffert werden mussten.
»Ja, bestimmt«, stellte Peter trocken fest, da ihm diese ganze Computertechnik herzlich egal war. Er wollte sich schon abwenden, als sich endlich ein Bild aufbaute. Zuerst dachten beide, es handelte sich dabei nur um das Foto eines Wohnraumes, dann tauchte ein Mann mit einem Jungen an der Hand auf und Peter stieß einen Fluch aus: »Verdammt, das ist doch Mikes Junge. Wo zum Teufel hängt diese Kamera und wer ist der Typ?«
Henrik ging mit dem Kopf näher an den Monitor und stellte mit resignierter Stimme fest: »Das ist mein Bruder. Er hat zwar die Haare anders, aber ich bin mir sicher!« Bevor er weiterredete, nahm er Peter die Maus aus der Hand und zoomte den Ausschnitt des Bildes heraus, das die Terrassentür zeigte: »Er muss die Kamera in dem Ferienhaus angebracht haben. Ich kenne die Landschaft hinter dem Fenster!«
Fassungslos mussten die beiden mit ansehen, zu was Noas krankes Hirn fähig war. Henrik rief erneut bei den Finnen an, erfuhr aber nur, dass bereits eine Spezialeinheit auf dem Weg war, diese aber wegen des schlechten Wetters noch etwas brauchen würde.
Als Noa ohne jede Regung im Gesicht das Skalpell ansetzte und Felix Haupthaar entfernte, wurde es zu viel für Peter und er übergab sich mehrmals in den Abfalleimer. Mehr als einmal griff er zum Monitor, als könnte er diesen Irren auf diese Weise aufhalten. Dann, nach endlosen Minuten tauchte endlich Mike im Bild auf und über Peters Wange lief eine Träne. Er wusste, dass niemand das, was in diesem Raum passiert war, ertragen konnte. Auch sein erfahrener Partner nicht.
Was sich danach in dem Garten abspielte, war nur schemenhaft zu erkennen, und als der erste Schuss fiel, zuckte Henrik zusammen. Er musste annehmen, dass Mike seinen Bruder getötet hatte.
Peter hatte genug gesehen und schloss das Programm, dann schlug er einige Male gegen die nächste Wand und brüllte: »Das darf doch nicht wahr sein. Nicht Mikes Familie, nicht sie!«
Henrik saß auf einem Stuhl in der Ecke und hatte das Gesicht in seinen Händen vergraben. Tausend Gedanken drehten sich in seinem Kopf, doch drei Wörter drängten sich immer wieder in den Vordergrund: »Du bist schuld!« Plötzlich wurde ihm klar,
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