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Heuchler

Heuchler

Titel: Heuchler
Autoren: Mark Franley
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er sich auf seine Knie stützte, um besser atmen zu können, fiel sein Blick auf einen kleinen blauen Gegenstand, der neben dem Becken lag. Ohne auf seine Lungen zu achten, lief er zu der Stelle und hob es auf.
»Was haben Sie?«, fragte Langström, der etwas zurückgefallen war.
Mike hielt es ihm entgegen. »Es sieht aus wie der Verschluss einer Tube.«
Karlson deutete Mike zu warten und sah auf die Karte, dann sagte er etwas zu Langström. Dieser nickte und wandte sich an Mike: »Da drüben …« ‒ er deutete quer zum Hang, wo sich kaum sichtbar eine schmale Kante entlang einer Felswand dahinzog – »… muss es eine Höhle geben. Sie bleiben jetzt bitte hinter uns!« Dann zog er seine Waffe und folgte Karlson, der bereits ein Stück vorangegangen war. Mike wäre am liebsten an den beiden vorbeigestürmt, versuchte aber das Bild dieses Irren, der alleine mit seinem Sohn war, zu unterdrücken und zog stattdessen das Messer aus seinem Gürtel. Als Polizist hatte er es immer verurteilt, wenn andere Selbstjustiz übten. Jetzt war er selbst soweit, und er wusste, wenn sich die Gelegenheit ergab, würde er diesen Noa töten!
Vorsichtig, den Rücken an die Felswand gedrückt, schoben sich die drei entlang der nassen und rutschigen Felskante, welche sich in einem leichten Bogen um ein etwa zwanzig Meter hohes Felsmassiv zog. Immer wieder mussten sie sich den Regen, der jetzt wieder stärker geworden war, aus den Augen wischen, um überhaupt etwas sehen zu können. Das Wasser lief in kleinen Sturzbächen die Felswand hinunter und durchnässte auch die letzten noch trockenen Stellen ihrer Kleidung. Aber das war nicht wichtig. Wichtig war es, schnellstmöglich Felix zu helfen. Auch wenn die beiden Kommissare Katja und Petra gesehen hatten, nur Mike wusste, wozu dieser Psychopath noch fähig war. Für ein paar Tage hatte er es fast geschafft, seine Erlebnisse in dem verlassenen Versandhauskeller zu verdrängen, aber jetzt war alles wieder da. Und das Schlimmste war noch nicht einmal der Junge, den Peter versehentlich erschossen hatte. Fast noch tiefer eingebrannt hatten sich die Bilder der Folterbank mit dem Teddy darauf und die Wand mit den unendlich vielen Haarteilen kleiner Jungs. Beides überstieg die eigene Vorstellungskraft, und doch konstruierte der eigene Kopf weitere Bilder, die abscheulicher nicht sein konnten.
Ein qualvoller Schrei, der aus höchstens zehn Metern Entfernung gekommen war, holte Mike in die Realität zurück. Doch anstatt schneller zu gehen, blieben die beiden Kommissare vor ihm stehen. Mike missachtete jede Regel des Selbstschutzes und brüllte: »Verdammt, das war Felix, lassen Sie mich vorbei!« Sie an dieser Stelle zu überholen, war unmöglich, und da Karlson sich noch immer nicht bewegte, hätte Mike die beiden am liebsten von der Kante gestoßen.
Wieder kreischte Felix’ Stimme scheinbar aus dem Fels heraus und die Wörter überschlugen sich vor Angst: »Neeeeiiiinnn, nicht, auuuuaaa.« Mikes Magen verkrampfte sich.
Endlich kam auch in Karlson Bewegung. Er nickte Langström zu und nahm die letzten Meter ohne jede Vorsicht.
Der Höhleneingang war mit einem Tarnnetz und Zweigen verdeckt und davor wurde aus der Felskante eine kleine Terrasse, auf der sie sich besser bewegen konnten. Karlson nahm die drei Schritte zu der anderen Seite des Eingangs tief geduckt und drückte sich dort gegen die Wand. Langström tat es ihm auf seiner Seite gleich und beide hielten ihre Waffen im Anschlag. Mike wäre am liebsten sofort in die Höhle gestürmt, doch der Profi in ihm hielt ihn in dem Wissen, damit seinen Sohn zu gefährden, zurück.
Wieder drang Felix’ Stimme nach außen, doch dieses Mal sehr viel leiser und von Tränen erstickt: »Auuaaa … das tut so weh. Warum machen Sie das?« Dann hörten sie Noas ruhige und überzeugte Stimme: »Sei nicht traurig; das muss leider sein.«. Und als würde man einem Kind erklären, warum es in die Schule musste, redete er weiter: »Weißt du Felix, deine Eltern haben dir eine Menge falscher Gedanken und Hoffnungen in deinen Kopf gepflanzt und das alles ist jetzt unter deinen Haaren gespeichert. Es gibt also keinen anderen Weg, um diesen ganzen Müll zu entfernen.« Dann herrschte kurz Ruhe, bevor Noa tröstend sagte: »Aber wir machen jetzt eine kurze Pause, damit du dich erholen kannst und du wirst sehen, wie bewusst und erleichternd dann die restliche Prozedur ist. Viele Jungs vor dir haben das auch schon erleben dürfen, und jeder einzelne von ihnen hat
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