Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzgefaengnis

Herzgefaengnis

Titel: Herzgefaengnis
Autoren: Greta Schneider
Vom Netzwerk:
Achseln.
    „Mein Anwalt hat morgen einen Termin in der Kanzlei. Da fand er, wir können das ja gleich mit erledigen. Ist wohl ein Test, wie belastbar ich bin …“
    Wir gratulierten ihm und prosteten uns gegenseitig zu. Marc jobbte schon seit über einem Jahr in einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei. Nun winkte eine Festanstellung als Anwalt. Er war überhaupt nicht aufgeregt und meinte, die mündliche Examensprüfung wäre sicher viel schlimmer als sein morgiger Termin.
    Elin und Lucas wollten in den Justizdienst. Sie würden deshalb ihre Noten abwarten, bevor sie Bewerbungen schrieben oder Zeitungsannoncen studierten. Ohne Prädikatsnoten lief nichts in Sachen Richteramt.
    Alle Blicke wandten sich nun mir zu. „Und du, Sabina?“ „Bei Vatti mitmachen?“
    „Sie warten darauf“, sagte ich seufzend. „Halten mir einen Schreibtisch in der Zivilrechtsabteilung frei.“
    „Ja und? Ist doch ein Traumjob. Und bald wirst du Partner und verdienst, was du willst“, versetzte Lucas.
    „Ich weiß nicht. Reicht es nicht, dass mein Vater mein Vater ist – muss er jetzt auch noch mein Chef werden?“
    Der Gedanke, wieder herumkommandiert zu werden wie als Zwölfjährige, hatte sich in mir festgesetzt. Und dann all die Kollegen von Papa, die mich niemals wirklich ernst nehmen würden. Für die wäre ich immer nur die Tochter vom Chef. Sie würden mich schonen, mir nicht die Wahrheit erzählen und mir immer nur die einfachsten, unproblematischsten Langweiler-Fälle zuschieben. Frau Rose, seine Sekretärin, kannte mich, seit ich fünf war. Was würde sie sagen, wenn ich im Meeting meine Stimme erhob?
    Louise schnaubte. „Willst du lieber Taxi fahren?“
    „Mensch, Louise. Ich könnte ja zum Beispiel in einer anderen Kanzlei anfangen. Oder meine eigene aufmachen.“
    „In einer anderen Kanzlei anfangen? Wo du die ganze Zeit in ´ner Kneipe statt beim Anwalt gejobbt hast? Vergiss´ es.“ Elin schüttelte den Kopf. „Die wollen doch heute möglichst Leute von 23, die schon fünf Jahre Auslandserfahrung, perfektes Englisch und ein Prädikatsexamen haben. Und natürlich mindestens einen Dauernebenjob beim Anwalt während der Referendarzeit!“
    „Und die sollen dann zwanzig Stunden am Tag schuften für 1000 Euro netto“, Lucas nickte.
    „Lasst uns doch erst mal fertig werden“, schlug ich vor. Ich hatte keine Lust mehr, darüber nachzudenken.
    Beim Essen diskutierten wir angeregt Urlaubspläne und Notenaussichten. Und beim Eis, das sich einige als Dessert gönnten, lehnte sich Lucas zurück, räkelte sich und sagte: „Wie wäre es noch mit einem Besuch im ‚Darbo‘? Irgendwie müssen wir doch die Kalorien wieder verbrennen .“
    Das Darbo war ein angesagter Club hier in der Nähe. Zu Fuß gerade mal fünf Minuten von hier.
    „Au ja! Ein bisschen die Beine vertreten nach all der Paukerei!“
    Bis auf Marc, der morgen seinen Termin in nüchternem, ausgeschlafenen Zustand wahrnehmen wollte, waren alle dabei. Und so brachen wir auch ziemlich bald auf.
    Der Club war kleiner und feiner als andere Diskotheken. Mit einer langen, geschwungenen Bar in dunklem Holz, die raffiniert beleuchtet wurde, wirkte er trotz der Lautstärke direkt gemütlich. Bei „Sonnentanz“ stürmten wir die Tanzfläche.
    Die Bewegung zu heißen Rhythmen tat mir gut. Gedankenfetzen flogen einfach vorbei – festhalten und Grübeln unmöglich. Wir tanzten, bis wir aus der Puste waren. Atemlos, am Rücken nass geschwitzt, kehrten wir an die Bar zurück, wo wir Caipirinha bestellten. Als ich das Glas ansetzte, meckerte und vibrierte mein Handy laut und vernehmlich. Fast hätte ich mich verschluckt. Warum hatte ich es nicht abgestellt? Meine verdammte Neugier verbot mir, es zu ignorieren, also suchte ich mit einer entschuldigenden Geste eine ruhigere Ecke auf (natürlich in der Nähe der Klos. Solche Ecken sind immer in der Nähe der Toiletten).
    Der Blick aufs Display verriet nichts. Unbekannte Nummer. Doch nicht etwa … sie …?
    „Ja?“ Vorsichtshalber sagte ich meinen Namen lieber nicht.
    „Sie wollten mich anrufen.“ Aufatmen. Und gleich darauf Herzkasper. Es war nicht sie, es war er. Seine Bariton-Stimme klang ein wenig vorwurfsvoll.
    Ich musste mich kurz sammeln, bevor ich antworten konnte: „Aber nur, wenn mir noch was einfällt.“
    „Schade. Ich dachte, Ihnen wäre eingefallen, mal auf die Rückseite meiner Karte zu sehen.“
    „Das habe ich getan.“
    „Und warum rufen Sie dann nicht an?“
    „Welchen Grund könnte ich haben,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher