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Herzgefaengnis

Herzgefaengnis

Titel: Herzgefaengnis
Autoren: Greta Schneider
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fremden Person zu entdecken, dass sie in ihrem Gedächtnis für immer dieses Bild deiner Schwäche gespeichert hat. Wie ein Erpresserfoto, das sie jederzeit hervorkramen und ansehen kann, um sich an deiner Blöße zu weiden.
     
     
    Die ersten Anrufe kamen schon zwei Tage später.
    Ich saß über einer schwierigen Übungsklausur und hoffte, es käme nächste Woche keine Aufgabe wie diese hier dran. In meinem Kopf hatte sich dieser Fall zu einem Knoten von unlösbaren juristischen Problemen verbunden. Als ich mir ungeduldig durchs Haar fuhr, erinnerte mich ein dumpfer Schmerz am Hinterkopf an meine Flucht. Ich hatte eine heftige Beule zurückbehalten. Sogar beim Kämmen schmerzte es.
    Mein Handy brummte. Keine Nummer, die ich kannte, sonst wäre ich vielleicht vorgewarnt gewesen.
    „Hallo?“
    „Sabina?“ Das war ihre Stimme. Die Stimme der Frau, die ich enttäuscht, verletzt, gedemütigt hatte. Heilige Scheiße.
    „Äh – ja?“ Mehr wagte ich nicht zu sagen. Es war definitiv das erste Mal, dass jemand, dessen Bett ich so früh verlassen hatte, auch noch anrief.
    „Hier ist Heimke. Du hast was bei mir vergessen.“
    Das kam schneidend und kalt. Ich hörte, wie sie heftig atmete. Weinte sie? Oder schnaubte sie nur vor Wut?
    „Heimke, es tut mir leid“, versuchte ich sie zu besänftigen. „Das war … ich wollte nicht … ich habe …“ Mein Herz schlug bis zum Hals.
    „Dein Rumgestotter kannst du dir so was von in den Arsch schieben“, zischte sie. „Willst du nicht wissen, was ich hier habe?“
    „Heimke, ich bin dafür nicht gemacht. Verstehst du? Ich – es geht nicht. Es war keine böse Absicht. Ich kann nicht - und ich will nichts von dir. Ich war betrunken. Verstehst du das? Es tut mir leid.“
    Oh Gott. Das war schlimmer als jede Blöße, die ich mir je gegeben hatte.
    Die Antwort war Wutgeheul. „Du … du SCHLAMPE!!!“ Ihre Stimme überschlug sich. „Du miese kleine Schlampe! Dafür wirst du BEZAHLEN!!!“
    Sie brach in hysterisches Schluchzen aus.
    Ich drückte sie weg. Meine Mütze konnte sie behalten. Ich hatte mir schon eine neue gehäkelt. Leuchtend blau mit schwarz.
    Die Klausur konnte ich erst mal vergessen. Dabei musste ich dieses blöde Zwangsvollstreckungsrecht dringend in meinen Kopf hineinbekommen. Und hatte dafür noch genau eine Woche.
    Im Laufe des Tages rief sie noch zweimal an. Das erste Mal machte ich noch den Fehler, das Gespräch anzunehmen.
    „Ich krieg´ dich“, zischte sie. Und beleidigte mich mit Worten, die ich nicht wiedergeben kann.
    Das zweite Mal drückte ich sie nur noch weg. Ich fand, wir waren jetzt quitt.
    Am Abend hatte ich eine neue Handynummer.

 
    Kapitel 2
     
    Die kleine Nebenstraße war zugeparkt. Vor dem „Randale“ stand ein Lieferwagen, halb auf dem Bürgersteig. „24-Stunden-Notdienst“. Zwei Typen im Blaumann kamen aus dem Lokal. Trotz ihrer müden Augen knipsten sie einen Macho-Nacktscanner-Blick an, als sie an mir vorbei auf den Wagen zusteuerten. „Na, wollt ihr auch mal anfassen?“ lag mir auf der Zunge. Aber ich tat lieber so, als wären sie durchsichtig. Franz tauchte ächzend hinter seinem Tresen auf, als ich die Stufen zum Gastraum herunterkam. Er wischte sich mit einem Geschirrtuch den Schweiß von der Stirn.
    „Jottseidank, da biste ja, Sabina“, rief er mir zu. Als ich um den Tresen herumkam, schüttelte er meine Hand mit beiden Händen und strahlte, als hätte er mich ewig nicht gesehen. Dabei waren es gerade mal drei Wochen.
    „Hallo Franz.“ Ich küsste ihn auf die Wange. „Was ist denn los? Ich hab´ draußen die Typen vom Notdienst gesehen …“
    „Thermostat kaputt! Heute musste extra viel Bier verkaufen, damit ick den Tausender bald wieda drin habe, den det kostet“, stöhnte Franz, während ich mir eine schwarze Schürze mit der roten Aufschrift „Randale“ umband.
    „Ich geb´ mir Mühe.“
    Er blickte mich kritisch an. „Dünne biste jeworden.“
    „Na ja. Ich hatte nicht so den Appetit in letzter Zeit.“
    Während der vergangenen drei Wochen hatte ich mich fast nur noch von Nutellabroten ernährt – etwas anderes wollte mein Magen nicht annehmen.
    „Na, denn iss ma´ eene von denen hier. Hat Agnes heute jemacht.“ Er deutete auf eine Platte mit Glasdeckel, unter dem sich appetitliche, frisch gebratene Bouletten stapelten. Das Stück 1 Euro.
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Vielen Dank, Franz. Ich hatte gerade ein reichliches Abendbrot bei meinen Eltern. Später vielleicht.“ Ich schloss die Kasse auf
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