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Herzgefaengnis

Herzgefaengnis

Titel: Herzgefaengnis
Autoren: Greta Schneider
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strumpfbehoste Waden mit eleganten Pumps, auf der Rolltreppe daneben die typischen Touristen-Treter und Jeans. Französisches Geplapper.
    Es gab kein Kleid für mich. Die einen saßen nicht, die anderen waren zu kurz, zu lang, zu weit oder zu teuer. Wenigstens entdeckte ich ein schlichtes Oberteil. Blau, mit einem Stich ins Lavendelfarbene. Auf dem Bügel sah es direkt ein wenig unscheinbar aus. Eine Verkäuferin im dunkelblauen Outfit und grauen Haaren kam auf mich zu. „Wollen Sie es nicht mal anziehen? Es passt fantastisch zu Ihren Augen. Da bin ich sicher.“
    Na gut. Ich ging in die Kabine, das Teil unter dem Arm. In zwei Größen, nur zur Vorsicht. Als ich herauskam, nickte die Verkäuferin befriedigt. Ich schaute in den Spiegel und sah, dass sie recht hatte: Das Top war schlicht, tief ausgeschnitten und hatte kurze Ärmel. Mein Dekolleté kam darin ausgesprochen gut zur Geltung, und der schmale Schnitt ließ mich trotzdem schlank erscheinen. Der seidige Stoff fühlte sich kühl an. Dieses Blau ließ meine Haut leuchten und meine Augen strahlen. Fast wirkten sie jetzt ein bisschen heller. „Das nehme ich.“
    „Ja. Das müssen Sie auch.“ Die Verkäuferin wusste, was eine Frau tragen kann. „Ziehen Sie das zu einem schwarzen Rock an, und Sie werden die Nacht nicht allein verbringen“, sagte sie und schenkte mir einen anzüglichen Blick. Und ich dachte, in ihrem Alter ist man über so etwas hinweg …
    In der Stoffabteilung auf der anderen Straßenseite fand ich dann doch noch das Kleid, das ich gesucht hatte. Wenn auch nur als Schnittmuster. Ich nahm es mit, zusammen mit einem Stoff in sensationellem Rot. Ich hatte ja jetzt ein wenig Zeit, um mich handwerklich zu betätigen .
    Aufatmend ließ ich mich auf einen Sitz in der U-Bahn fallen. Das Auto hatte ich zu Hause gelassen, die Parkhäuser waren am Wochenende sowieso immer verstopft.
    „Ssuuuurückblei´m bitte!“ Gerade als sich die Türen schlossen, quetschte sich in letzter Sekunde eine zierliche Gestalt in den Waggon, und mein Puls wollte aussetzen. Ich sah sie nur schräg von hinten, aber es schien unverkennbar – sie zu sein. Die blonde Kurzhaarfrisur, ihre Bewegungen – das war Heimke! Sie sah geradeaus, ohne mich wahrzunehmen. Sicher rechnete sie nicht damit, dass ich hier saß.
    Ich duckte mich über meine Einkaufstüten und kramte konzentriert in meiner Handtasche, bemüht, jetzt nicht aufzublicken. Neben mir saßen zum Glück andere Fahrgäste, sodass sie sich nicht einfach zu mir setzen konnte. Mit angehaltenem Atem starrte ich auf meine Schuhe, die Tüten mit meinen Einkäufen zwischen meinen Beinen.
    Mein Haar ließ ich vor meinem Gesicht baumeln, froh, heute keinen Pferdeschwanz zu tragen. Sonst hätte sie mich gleich erkannt. Sie stand an den Mitteltüren, den Rücken mir zugewandt. Das konnte ich an ihren Beinen erkennen. Höher zu blicken, wagte ich nicht.
    Nollendorfplatz – Bülowstraße – Gleisdreieck. Noch zwei Stationen, dann konnte ich umsteigen. Verdammt, sie rührte sich nicht. Wie sollte ich aussteigen, ohne dass sie mich sah? So ein Mist.
    „Nächste Station: Potsdamer Platz“, nuschelte es aus den Lautsprechern. Spätestens jetzt musste ich mich erheben. Heimke stand links von mir. Als der Zug zum Stehen kam, sprang ich auf und wandte mich nach rechts, zu den Türen am vorderen Ende des Zuges. Im Laufschritt steuerte ich auf die Rolltreppen zu.
    Ein Hinkelstein plumpste von meinem Herzen, als die Türen sich hinter mir schlossen und der Zug wieder anfuhr.
    „Hey Sabina, warte doch mal!“
    Ich erstarrte vor Schreck. Jetzt war ich es, der die Einkaufstüten aus der Hand fielen. Die flinken Schritte hinter mir kamen näher und näher. Ich stand vor den Rolltreppen, als wäre ich festgewachsen. Sie überholte mich, hob meine Tüten auf und reichte sie mir.
    „Du brauchst doch nicht wegzulaufen“, säuselte sie. „Ich will doch nur mit dir reden. Tut mir leid, dass ich dich so – angeschrien habe neulich.“ Sie legte den Kopf schief und versuchte einen Dackelblick.
    „Schon gut“, brummte ich. „Wir wären dann jetzt wohl quitt.“ Mein Herz raste. Ich versuchte, ihrem Blick auszuweichen.
    „Ich habe noch was von dir zu Hause. Willst du es dir nicht abholen?“
    „Vielen Dank, Heimke.“ Ihre Frage beantwortete ich lieber nicht.
    „Warum bist du gegangen?“
    „Heimke. Ich hatte Kopfweh und wollte nur noch nach Hause. Es war falsch, dass ich mit dir gekommen bin.“
    Sie seufzte. „Wirklich schade. Ich –
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