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Herz ueber Bord

Herz ueber Bord

Titel: Herz ueber Bord
Autoren: Gabriele Diechler
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Unbekannten tatsächlich um etwas, das heute keine Bedeutung mehr hatte. Dann wäre alles Herumgrübeln nur absolute Zeitverschwendung.

»Wow!« Ich schob mir die Sonnenbrille ins Haar und blieb einen Moment sprachlos stehen. Mein Blick flog hin und her, um die Schönheit um mich herum aufzunehmen. Wände, mit edlem Holz vertäfelt, und Böden, ausgelegt mit roten Teppichen. Und zur Krönung baumelten Lüster über mir, die ich auf einem Schiff nicht erwartet hätte – eher in einem Schloss!
    Â»Meine Güte, das ist Luxus pur. Die Lobby ist der Hammer!«, schwärmte ich.
    Â»Wie erfrischend, wenn jemand sich ordentlich freut. Herzchen, Sie kriegen sich ja gar nicht mehr ein«, krächzte ein Herr mit sorgfältig gescheiteltem Haar, der prustend neben uns ankam.
    Â»Wer sich an Bord eines solchen Riesenschiffs nicht freut, ist selber schuld«, entgegnete ich freundlich.
    Â»Wie wahr!«, fand der ältere Herr. »Darf ich mich vorstellen? Prof. Werner Ucker. Früher mal wichtig, heute nur noch Pensionär.«
    Ich schmunzelte und hielt ihm die Hand hin. Mir gefiel, dass er sich selbst aufs Korn nahm. »Katja Asmussen. Kreuzfahrt-Greenhorn«, stellte ich mich vor. Dann deutete ich auf Mum. »Und das ist Bettina Asmussen. Chefhostess hier an Bord und nebenbei meine Mutter.«
    Prof. Ucker begrüßte Mum mit angedeutetem Handkuss und zwinkerte mir zum Abschied zu, bevor er gemütlich weitertrottete. Eine Blondine um die siebzig, die wegen ihrer Killer-High-Heels kaum mit ihm mithalten konnte, blickte mit gepflegter Langeweile an uns vorbei, während sie ihm folgte.
    Ich schaute den beiden mit gerunzelter Stirn hinterher. »Seltsames Paar. Die passen gar nicht zusammen.«
    Â»Die Passagiere sind immer eine bunte Mischung. Freundlich, überkandidelt, verschroben, abgehoben, lustig – es ist alles dabei«, erzählte Mum.
    Mein Vater tat mir plötzlich leid. Er schrieb gerade ein Sachbuch zu einem Wirtschaftsthema und hatte deshalb, und natürlich auch wegen seiner Flugangst, nicht mitkommen wollen. Angesichts des spektakulären Schiffs war ich mir allerdings nicht sicher, ob er sich richtig entschieden hatte.
    Während wir weitergingen, begann Mum mit den ›kleinen Details am Rande‹, wie sie es nannte. »Unsere Lady hat 204 Suiten, 408 Passagiere, 7 Decks und 285 Crewmitglieder. Sie ist knapp 200 Meter lang und ist 2011 frisch renoviert worden«, ratterte sie herunter. »Ach ja, Rolltreppen und Aufzüge gibt es auch. Du befindest dich also im Zentrum eines klassischen Kreuzfahrtschiffs, das keine Wünsche offenlässt.«
    Ich blies laut die Luft aus. »Wenn Inka hier wäre, bliebe ihr gar keine Zeit, jemals wieder an Sven zu denken.«
    Â»Da hast du wohl recht«, stimmte Mum zu. Sie wusste über Inka und Sven Bescheid – zumindest in groben Zügen – und war der Meinung, Inka würde ›die Sache‹ rasch überwinden. Ich war anderer Ansicht. Inka nahm sich das Aus mit Sven sehr zu Herzen.
    Â»Lass uns unsere Kabinen suchen und auspacken«, schlug Mum vor.
    Sie schnappte sich meine Hand und zog mich hinter sich her. Ich sah sie von der Seite an und entdeckte eine tiefe Falte zwischen ihren Augenbrauen, die mir heute zum ersten Mal auffiel. Das Gespräch mit dem Mann im grünen Hemd drängte sich erneut mit Wucht in mein Bewusstsein. Aufpassen, Katja!, flüsterte eine innere Stimme mir zu. Hatte Mum vielleicht doch Angst vor diesem Kerl? Nur, wieso?
    Ich war davon ausgegangen, dass der Platz an Bord eines Schiffes begrenzt war und wir uns deshalb eine Kabine teilen mussten. Doch Fehlanzeige: Mum hatte eine für mich allein gebucht. Klein, aber mit Flatscreen, Schreibtisch, Kuschelbett und einem Balkon mit Blick aufs Meer.
    Â»Winzig, aber trotzdem oho«, rief ich begeistert, als ich die Kabine betrat. Hier hatte ich wenigstens meine Privatsphäre.
    Â»Schön, nicht wahr? Man nennt diese Zimmer Mini-Suiten. Ach, und bevor ich es vergesse: Das hier ist deine Crew-card, Katja. Pass gut darauf auf. Sie ist Kabinenschlüssel und Bordkreditkarte in einem.« Mum drückte mir ein Plastikkärtchen in die Hand.
    Als ich über den Teppich glitt, der jeden meiner Schritte verschluckte, um hinaus auf die Veranda zu treten, hüpfte mein Herz. Das Wasser lag wie eine Verheißung unter mir, und die Vorstellung, schon bald an irgendeinem Traumstrand zu liegen und
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