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Herz ueber Bord

Herz ueber Bord

Titel: Herz ueber Bord
Autoren: Gabriele Diechler
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wieder im Gewimmel der Küche verschwunden, und Tim Borow sah mich auffordernd an. »Bist du schon in der Crewmesse gewesen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Â»Dann mal mitkommen!«
    Meine Mutter nickte mir zu, um mir zu verstehen zu geben, dass ich das besser allein durchzog. Also schloss ich mich dem Hot Man an. Bald flog ich hinter ihm her durch die Gänge. Meine Güte, der Mann gab ein Tempo vor! Ich musste zu sehen, dass ich mitkam. Die Decks und verschiedenen Bereiche des Schiffs schienen kein Ende zu nehmen und erst nach unzähligen Minuten erreichten wir die Crewmesse. Als Tim Borow die Tür öffnete, sahen mich ein Dutzend Augenpaare fragend an. Es war wie am ersten Schultag, wenn man neu in die Klasse kam.
    Â»Hi, ich bin Katja«, stellte ich mich, ohne zu zögern, vor. Am besten keine Scheu zeigen, sprach ich mir innerlich Mut zu.
    Die anderen begrüßten mich freundlich und dann erklärte mir Tim Borow schnell die Crewmesse. »Der Saal ist in mehreren Schichten geöffnet: fürs Frühstück, 10-Uhr-Kaffee, Mittagessen, Nachmittagskaffee und Abendessen. Wie du siehst, ist es hier immer voll und ziemlich laut. Schrei am besten, wenn du was willst.« Er lachte und trug damit das Seine dazu bei, dass es noch ein paar Dezibel lauter wurde. »Die Crew hat übrigens keine feste Sitzordnung und bestimmt lernst du bald alle kennen. Da du auch normaler Passagier bist, will ich dir nicht vorenthalten, dass du zwischen Crewmesse und den PAX-Restaurants wählen kannst. Keine schlechte Sache, oder?«
    Â»Was, bitte schön, bedeutet PAX?«, fragte ich und rollte mit den Augen. Musste ich eine neue Sprache lernen, bevor ich hier zurechtkam? Die Frage stellte ich mir nicht zum ersten Mal, seit ich an Bord gekommen war.
    Â»PAX ist unsere Abkürzung für Passenger. Mehrzahl: ›die Paxen‹«, klärte der Hot Man mich auf.
    Â»Ah ja«, japste ich.
    Ich betrachtete mein Gesicht, das mir freundlich von meiner Crewcard, die um meinen Hals baumelte, entgegenlachte. Nun war ich einerseits ein ordentliches Mitglied der Crew, andererseits ein gewöhnlicher Passagier.
    Tim drückte mir plötzlich ein Glas in die Hand. »Cheers!«, rief er und schenkte mir einen animierenden Blick.
    Â»Was ist das?« Ich roch vorsichtig an der dunklen Flüssigkeit in dem Glas.
    Â»Dösi!«, rief jemand neben mir. »Eine Mischung aus Jägermeister und Red Bull. Unser interner Willkommensdrink für die Mannschaft.«
    Â»Trinken, trinken, trinken …!«, stimmten alle im Chor an.
    Ich sah in die erwartungsvollen Augen der Menge und wusste, dass ich keine Wahl hatte. Hier pulsierte alles in einem eigenen Takt und ich war für heute die willkommene Abwechslung. Das Greenhorn, das schleunigst eingeführt werden musste.
    Mit einem letzten Satz versuchte ich, aus der Nummer herauszukommen. »Wollt ihr die Verantwortung dafür übernehmen, dass ich vielleicht über die Reling kippe, wenn ich das hier getrunken hab?«
    Â»Ja, das wollen wir, wollen wir …«, juchzte die Menge.
    Â»Wir fischen dich schon wieder aus dem Wasser«, rief jemand von weiter hinten.
    Der Hot Man prostete mir zu. »Augen zu und durch«, motivierte er mich. »Ein guter Anfang ist wichtig, Katja. Und keine Sorge, ansonsten achten wir natürlich darauf, dass im Dienst nicht getrunken wird.«
    Ich setzte das Glas an und leerte es in einem Zug. In meinem Magen breitete sich eine scharfe Wärme aus. Das konnte ja heiter werden. Kaum an Bord und schon den ersten Drink in der Hand. Mal sehen, was mir über den Weg lief, wenn ich allein durch die Gänge des Schiffs streifte.
    Ein paar Minuten später war ich wieder auf dem Weg zu meiner Kabine und stieß prompt mit einer dunkelhaarigen Schönheit zusammen. »Hoppla! Tut mir leid«, entschuldigte ich mich.
    Â»Nichts passiert«, erwiderte die junge Frau mit charmantem französischem Akzent. Sie war groß gewachsen, mit gebräuntem Teint und schwarzem seidigem Haar und trug Leggins sowie ein enges Oberteil, das ihren wohlgeformten Busen bestens präsentierte. Als ich die Luft einzog, roch ich ihren Duft, der an Sonne, Meer und süße Früchte erinnerte. Sicher ein teures Markenparfum. Sie sah nicht viel älter aus als ich und doch schienen uns Welten zu trennen. Sie wirkte wie eine kostbare Porzellanschale – fertig. Ich dagegen fühlte mich in diesem Moment wie
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