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Herz ueber Bord

Herz ueber Bord

Titel: Herz ueber Bord
Autoren: Gabriele Diechler
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tief durch und ließ meinen Blick erneut über den Hafen schweifen. Vor der Absperrung, die zur Gangway führte, war ein Stand aufgebaut worden, an dem Sekt ausgeschenkt wurde. Dort hatte sich bereits eine ansehnliche Menschenschlange gebildet. Die Passagiere prosteten einander zu, tranken und bemerkten kaum, dass sie warteten.
    Schließlich blieb mein Blick an der MSC Harmony hängen. Unser schwimmendes Zuhause erstrahlte in elegantem Weiß und ragte mehrstöckig vor mir auf. Wuchtig und groß. Ich nahm den Fotoapparat aus Mums Kameratasche und schoss ein paar Bilder. Meine Mutter ließ sich kommentarlos von mir dirigieren und machte zum Abschluss ein paar hübsche Aufnahmen von mir vor der Hafenkulisse.
    Â»Offenbar muss man sich mit Geduld wappnen, um an Bord zu kommen«, seufzte ich, als ich die Kamera wieder in der Tasche verstaute.
    Die Menschenschlange war inzwischen weiter angewachsen. Es dauerte sicher eine Stunde, bevor wir an einem der Decks ankommen würden.
    Â»Keine Angst«, beruhigte mich Mum. Sie hatte meinen sorgenvollen Blick aufgefangen. » Wir stehen hier bestimmt nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern sind schneller an Bord, als du dir vorstellen kannst.«
    Die Kreuzfahrt, die in Miami ihren Anfang nahm, würde für Mum und mich ein bisschen anders verlaufen als für die anderen. Wir waren keine gewöhnlichen Passagiere.
    Vor wenigen Wochen hatte in Hamburg abends das Telefon geklingelt. Vera, eine Kollegin, mit der Mum früher gearbeitet hatte, war am Apparat gewesen. Sie hatte sich das Bein gebrochen und saß nun mit einem Gips zu Hause fest. Deshalb sollte meine Mutter als Chefhostess für sie einspringen. Aufgrund ihrer Beziehungen hatte Mum es geschafft, auch noch einen Ferienjob für mich zu besorgen. Als Runner.
    Â»Runner sind die Hilfskräfte der Kellner«, hatte sie mir an jenem Abend erklärt.
    Â»Ich muss also die Teller und Gläser nach jedem Gang abräumen?«
    Â»Während der gesamten Reise über 2490 Seemeilen und ein paar Zerquetschte«, bestätigte Mum lächelnd.
    Auch wenn es im ersten Moment nach mächtig viel Arbeit und jeder Menge dreckigem Geschirr klang, fand ich die Vorstellung, die Osterferien als Runner an Bord eines Karibik-Luxusliners zu verbringen, sehr verlockend.
    Â»Stell dir die Reise so vor: Ein paar Stunden am Tag arbeitest du und den Rest liegst du als umsorgter Passagier am Pool, nimmst an Landgängen teil und genießt das Schiff. Und das bei guter Bezahlung«, hatte Mum mir das Ganze schmackhaft gemacht.
    Ich mochte es, eigenes Geld zu verdienen. Es sicherte mir ein Stück Unabhängigkeit. Und mal davon abgesehen, warteten auf mich Traumstrände, Reggae-Sound, Kokosnuss-Drinks und das nicht enden wollende Meer im 360-Grad-Winkel, während ich in einem schicken Bikini am Pooldeck läge! Ich hatte also begeistert eingewilligt.
    Als meine Mutter nun ihr Telefon aus der Tasche kramte, um Papa anzurufen, fiel mir Inka ein. »Kann ich einen allerletzten Anruf von deinem Handy aus machen?« Ich sah Mum mit flehendem Blick an.
    Â»Aber fass dich kurz, ja?«, bat sie. Ich nickte und zwängte mich an einer Gruppe von Leuten vorbei, um mir ein ruhiges Plätzchen zu suchen. Etwas abseits vom Getümmel tippte ich Inkas Nummer ein. Es dauerte nicht lange, bis sie am Apparat war.
    Â»Hallo, Inka.«
    Â»Katja!« Inkas warme Stimme drang an mein Ohr. »Bist du etwa schon an Bord deines Traumschiffs?«
    Â»Nö. Noch im Hafen von Miami. Ich wollte noch mal anläuten und fragen, wie’s dir geht.«
    Inka ließ ein schweres Seufzen hören. Sie hatte sich vor zwei Wochen von Sven, ihrem Freund, getrennt und litt nun unter fürchterlichem Liebeskummer. »Ich komm schon klar. Mach dir keine Sorgen. Das passt nicht zu Karibik, Kreuzfahrten und so«, versuchte sie mich zu beruhigen.
    Â»Ach, Süße! Du musst nicht tapfer sein. Ich weiß doch, wie’s in dir aussieht.« Um mich herum scharten sich immer mehr Menschen. Mein annehmbar ruhiges Plätzchen würde nicht mehr lange eins sein. »Sobald ich an Bord bin, schick ich dir eine Mail. Auf dem Schiff gibt es überall kostenloses WLAN.«
    Â»Hey, wie praktisch ist das denn?« Ich hörte Inka leise schniefen. Sicher hatte sie eben noch geweint, wollte es aber nicht zugeben, weil sie annahm, sie vermiese mir dadurch den Urlaub. »Versprich, dass du mir alles, was an Bord
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