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Herrn Chabres Kur

Herrn Chabres Kur

Titel: Herrn Chabres Kur
Autoren: Emile Zola
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legte sich zum Ausruhen auf den Rücken; sie rührte sich nicht und ließ sich von der Flut, die ihre weißen Glieder umkoste, sanft wiegen und tragen.
    Hektor legte sich ebenfalls auf den Rücken; und so plauderten sie.
    Stella fragte ihn, ob er in Guérande geboren sei, er bejahte und berichtete, daß er die Heimat noch nie verlassen und nicht einmal bis Nantes gekommen sei. Er erzählte von seiner Kindheit, seiner Erziehung. Seine Mutter, die sehr fromm war und an den Überlieferungen des alten Adels streng festhielt, hatte befürchtet, daß er fern vom Hause fremden Einflüssen ausgesetzt sein könnte, und hatte darum seine Erziehung selber überwacht. Ein Priester, sein Hofmeister, leitete dieselbe und brachte ihm ungefähr alles das bei, was in den öffentlichen Lehranstalten gelehrt wurde, nur besonders viel Katechismus und Heraldik. Seine Mutter gestattete ihm aber auch, sich in allen ritterlichen Künsten zu üben, so daß er im Reiten und Fechten sehr gewandt war.
    Aus seinen Erzählungen entnahm Stella, daß Hektor unschuldig wie ein junges Mädchen war, er hatte noch keine Romane gelesen und ging allwöchentlich zum Tische des Herrn. Schließlich erzählte er, daß er nach erfolgter Großjährigkeit eine Kusine heiraten sollte, die sehr häßlich war.
    »Wie, Sie zählen noch nicht einundzwanzig Jahre?« rief Stella und schaute den jungen Riesen verwundert an. Er stellte die Blüte der bretonischen Rasse dar, die noch so kraftstrotzend und unverbraucht ist wie vor grauen Zeiten. Sie fand ihn ungemein interessant, und da er jünger als sie war – »ein Kind« –, fühlte sie sich mütterlich zu ihm hingezogen.
    Sie lagen beide noch immer auf dem Rücken, hatten die Augen träumerisch in das tiefblaue, durchsichtig klare Äthermeer versenkt, unbekümmert um alles Irdische, und ließen sich von den Fluten treiben; diese trieben sie aber einander immer näher, so daß sie zuletzt leicht zusammenstießen.
    »O Verzeihung«, sagte er verlegen, tauchte unter und erschien erst wieder in einer Entfernung von mehreren Metern auf der Oberfläche.
    Sie lachte laut und begann aufs neue zu schwimmen.
    »Das war ein Zusammenstoß«, sagte sie.
    Er näherte sich wieder und betrachtete sie heimlich. Er fand sie entzückend schön. Der Strohhut beschattete ihr liebliches Gesicht, und ihr Grübchenkinn tauchte bei jeder Bewegung anmutig ins Wasser. Einige widerspenstige Löckchen waren unter dem Wachstaffethäubchen hervorgeglitten, Wasserperlen hingen daran und tropften auf den Pfirsichflaum ihrer Wangen nieder. Er fand ihr Lächeln berückend und konnte sich nicht satt schauen an ihr.
    Aber plötzlich errötete er noch tiefer, denn er bemerkte, daß Stella sein Anstarren wahrgenommen und sich offenbar über das sonderbare Gesicht, das er gemacht haben mochte, belustigte.
    Um das Gespräch wieder anzuknüpfen, sagte er: »Es scheint, daß Ihr Herr Gemahl schon etwas ungeduldig ist.«
    »O nein«, entgegnete sie ruhig, »er ist gewöhnt zu warten, wenn ich bade.«
    Herr Chabre jedoch war in der Tat unruhig. Er ging zwei Schritte vorwärts und kehrte wieder um, seinen Schirm setzte er in immer schnellere Bewegung in der Hoffnung, daß das ihm Kühlung geben werde; aber es half nichts, ihm wurde immer heißer, auch fing er an, sich über das Gespräch seiner Frau mit dem Schwimmer höchlich zu verwundern.
    Da fiel Stella plötzlich ein, daß ihr Mann Hektor vielleicht nicht erkannt hatte.
    »Ich will ihm zurufen, daß Sie es sind«, sagte sie, schwamm gegen die Werft zu, hob die Stimme und rief:
    »Weißt du, es ist der Herr aus Guérande, der so liebenswürdig war.«
    »Ah, freut mich, freut mich!« rief Herr Chabre, zog seinen Hut und grüßte.
    »Ist das Wasser angenehm?« fragte er den jungen Mann höflich.
    »Sehr angenehm«, entgegnete dieser.
    Das Bad nahm unter den Augen des Gatten seinen Fortgang, und dieser wagte nicht mehr, sich über die Dauer desselben zu beklagen, obgleich ihm seine Füße, die von den heißen Steinen wie verbrannt waren, heftig schmerzten.
    Unterhalb der Werfte war das Wasser von wunderbarer Klarheit, man konnte vier, fünf Meter tief bis auf den Grund sehen, den feinen Sand, den Kies, und die hohen Gräser, die hin und her schwankten. Stella freute sich des hübschen Anblickes, sie schwamm äußerst vorsichtig, um die Oberfläche nicht zu sehr zu erschüttern, beugte sich tief darüber und betrachtete aufmerksam die geheimnisvolle Tiefe unter ihr. Die Wasserpflanzen besonders interessierten
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