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Herrn Chabres Kur

Herrn Chabres Kur

Titel: Herrn Chabres Kur
Autoren: Emile Zola
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Frau, der wie ein weißer Fleck auf dem Wasser aussah und sich immer weiter entfernte, mit den Augen zu folgen. Er nahm den Schirm aus einer Hand in die andre und bewegte ihn hin und her, denn die Luft darunter war erstickend heiß.
    »Was sie nur gesehen haben mag?... Ah, richtig, dort schwimmt etwas, gewiß ein Unsinn, ein Bündel Algen oder sonst etwas Ekliges aus dem Wasser.... Oder vielleicht ist es eine alte Tonne.... Nein ... das kann es nicht sein, es bewegt sich hin und her.... Schau, schau, das ist ja gar ein Schwimmer ... ein Herr!«
    Stella hatte ebenfalls alsbald wahrgenommen, daß es ein Herr war, und sie hörte sofort auf, gerade auf ihn zuzuschwimmen, weil sie fühlte, daß dies unpassend wäre, aber in leichtbegreiflicher Eitelkeit, froh, ihren Mut und ihre Gewandtheit zeigen zu können, kehrte sie nicht um, sondern schwamm der offenen See zu. Sie schwamm gemächlich und gab sich den Anschein, als habe sie den Schwimmer gar nicht bemerkt; dieser aber schien von einer Strömung in dieselbe Richtung gerissen zu werden, so daß, als sie sich wendete, um zurückzukehren, eine zufällige Begegnung stattfinden mußte.
    »Wie befinden Sie sich, gnädige Frau?« fragte der Herr höflich.
    »Wie, Sie sind's!« rief Stella heiter. »Nein, was es doch für merkwürdige Zufälle gibt!«
    Es war Hektor von Plougastel. Er war im Wasser ebenso schüchtern und sah ebenso kraftvoll und rosig aus wie neulich. Eine Weile schwammen sie in angemessener Entfernung schweigend nebeneinander; dann aber meinte Stella, sie müsse sich doch artig zeigen, und sagte: »Wir sind Ihnen sehr verbunden, Herr von Plougastel, daß Sie uns nach Piriac gewiesen, mein Mann ist entzückt davon.«
    »Nicht wahr, der Herr, der dort allein auf der Werfte steht, ist Ihr Gemahl?« fragte er.
    »Ja«, entgegnete sie.
    Sie mußten, um sich zu verstehen, sehr laut reden, da die Entfernung zwischen ihnen eine große war; sie schwiegen wieder und sahen nach Herrn Chabre hin, der wie ein schwarzer Punkt aussah. Er war ungeheuer neugierig und fragte sich, welchem Bekannten seine Frau im Ozean wohl begegnet sein möchte; es war unzweifelhaft, daß sie mit einem Herrn sprach, denn er sah, wie sie die Köpfe einander zuwendeten. Es konnte doch nur einer seiner Pariser Freunde sein, aber er zerbrach sich vergebens den Kopf, welcher von ihnen sich wohl so kühn ins Meer hinaus wagen würde. Indes mußte er das Näherkommen der Schwimmenden abwarten und drehte unterdessen den Schirm wie einen Kreisel, um eine Beschäftigung zu haben.
    Dieweil erzählte Hektor der schönen Frau Chabre, daß er zu seinem Onkel auf Besuch gekommen sei, und er zeigte ihr dessen Schloß, das die Küste überragte.
    »Und täglich mache ich den Spaziergang bis an die Werfte – es sind nur zwei Kilometer –, um mein Bad zu nehmen, denn das Schwimmen ist meine Passion. Aber Sie, gnädige Frau, sind eine vorzügliche Schwimmerin, ich habe noch keine Dame so gewandt gesehen.«
    »O ich«, erwiderte Stella, »ich habe schon im Wasser herumgeplätschert, als ich noch ein ganz kleines Ding war, darum kennt es mich, wir sind innig befreundet miteinander, das Wasser und ich.«
    Unversehens hatten sich Stella und Hektor einander genähert, um nicht so schreien zu müssen.
    Unter der heißen Sonne lag das Meer still und ruhig. Wie eine Atlasdecke, so glatt und glänzend sah es aus, und erst in weiter Entfernung kräuselte eine Strömung leicht die Oberfläche. Der Tag war strahlend schön und die Luft so klar, daß die fernsten Punkte deutlich zu erkennen waren. Hektor kannte die ganze Gegend sehr genau und wies seiner schönen Gefährtin all die Orte.
    Dort hinter den weißen Klippen, die sich so deutlich wie ein Bild abhoben, lag Morbihan, und gegenüber, der graue Fleck mitten in der offenen blauen See, war die Insel Dumet. Hektor zeigte und nannte noch andere Punkte, und Stella hielt jedesmal im Schwimmen inne, um mit den Augen der Richtung von Rektors erhobenem Arm zu folgen. Es bereitete ihr unendliches Vergnügen, den Blick weit über die unermeßliche Wasserfläche schweifen zu lassen, und wenn sie sich dann gegen die Sonne umwendete, gab es eine neue Überraschung: Das Meer schien in eine Sahara ohne Grenzen verwandelt zu sein, wie Goldstaub glitzerte und gleißte es, soweit das Auge reichte, und Millionen Lichtfünkchen tanzten auf und nieder, daß Stella davon wie geblendet war.
    »Wie schön das ist, wie schön!« sagte sie. Aber nun war sie vom Schwimmen etwas ermüdet und
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