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Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann
Autoren: Sven Regner
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verschlafen, das war immer so, wenn er Liebeskummer hatte, sein Schlafbedurfnis wurde dann ubergroß, und er ging nur noch aus dem Haus, um zu essen. Ich hatte mich statt dessen um Karl kummern sollen, dachte er, das waöre besser gewesen, als der bloöden Kuh hinterherzutrauern. Aber es hatte einmal so gut ausgesehen, dachte er traurig, es hatte so gut werden koönnen mit ihr, aber vielleicht, dachte er dann, ist das auch bloß Quatsch. Er erinnerte sich daran, wie sie immer versucht hatte, ihn dazu zu bringen, sein Leben zu aöndern. Vielleicht habe ich es nicht genug versucht, dachte er, aber wozu eigentlich, dachte er dann. Eigentlich ist es gut so, wie es ist, dachte er, aber ich hatte mich mehr um Karl kummern missen. Ünd ohne Karl macht es keinen Spaß, dachte Herr Lehmann. Zum Beispiel dieser Rudi, dachte er, was soll man mit so einem anfangen? Der ist doch hochstens zwanzig, das ist ja trostlos, dachte er und bemerkte am Planufer den Irish Pub, den er bisher immer ubersehen hatte, und er dachte sich, daß er auch gleich hier anfangen könnte, sich zu betrinken.
    Irish Pubs hatte er immer schon furchtbar gefunden, und dieser hier, das sah Herr Lehmann sofort, als er hereinkam, war auch ganz schrecklich. So kann man das nicht machen, das ist ja alles verlogener Scheiß, dachte Herr Lehmann, während er sich im Inneren des Pubs orientierte, dieses ganze dunkle Holz, diese Vertäfelungen, das ist doch alles kitschiger Ünsinn, dachte er und setzte sich an einen Tisch, auf dem eine Kerze in einer Flasche stand. Ünd dann so eine dustere Grotte, dachte er, nachdem er sich einen halben Liter Guinness bestellt hatte, das ist ja wie in den 70er Jahren, und er erinnerte sich an die Kneipen seiner Jugend in Bremen, das Storyville und andere, wo es in der Regel so dunkel gewesen war, daß man die Hand am Ende des Arms schon nicht mehr sehen konnte, und wo man nur in der Nähe einer Kerze, und es waren nicht öberall Kerzen gewesen, sein Gegenöber noch hatte erkennen konnen.
    Naja, dachte Herr Lehmann gnädig, nachdem er sein Guinness bekommen hatte, das aber nicht als halber Liter, sondern nur als Nullvier ausgeschenkt wurde, und nachdem er einen guten Schluck davon genommen hatte, irgendwie hat das naturlich auch was. Ist ja am Ende egal, wie es irgendwo aussieht, dachte er und erfreute sich ein bißchen an den Dubliners, die hier aus dem Lautsprecher kamen, er konnte sogar ein bißchen davon mitsummen, sie machten ihn auf eine angenehme Weise sentimental, sein großer Bruder hatte immer die Dubliners gehört, als er 15 war oder so, davon will er heute sicher nichts mehr wissen, dachte Herr Lehmann, oder vielleicht gerade wieder, dachte er. Vielleicht sollte ich ihn mal besuchen, dachte Herr Lehmann, schließlich habe ich ein bißchen Geld gespart, obwohl, dachte er, es ist mehr als ein bißchen, es durfte ziemlich viel sein. Oder nach Bali, dachte er, mit oder ohne Heidi, das konnte lustig werden mit all den Vogelspinnen und Tropenkrankheiten, dachte er und bestellte sich ein zweites Guinness. Dann aber weiter, ermahnte er sich, wenn man sich alleine besauft, muß man in Bewegung bleiben. Als das zweite Guinness kam, zahlte er es gleich und rauchte, während er es austrank, ein paar Zigaretten dazu, dadurch ging es schneller.
    Draußen war er dann wieder etwas ratlos. Sollte er in 6l weitermachen oder doch lieber nach 36 hinöbergehen? In 36 bestand die Gefahr, einen von Erwins Deppen, wie er sie jetzt in Gedanken nannte, zu treffen und öber Karl reden zu mässen. In 6l bestand die Gefahr, daß er beim Saufen vor Langeweile einschlief. Dann schon lieber 36, dachte er und uberquerte den Landwehrkanal am Kottbusser Damm. Dahinter nahm er die Mariannenstraße bis hinauf zum Heinrichplatz, wo es ein paar Kneipen gab, in denen er schon lange nicht mehr gewesen war.
    Wenn ich schon im Irish Pub war, dann kann ich auch gleich in die Rote Harfe gehen, dachte Herr Lehmann, als er auf dem Heinrichplatz stand und eine Wahl treffen mußte. Das ist genau so ein auf alt gemachter Scheiß. Oder vielleicht ist die Rote Harfe auch wirklich alt, wer weiß, dachte er. Das Publikum war es jedenfalls. Herr Lehmann trat ein und sah gleich, daß er hier noch einer der jungsten war. Das ist dann auch nicht so gut, dachte er, außerdem hatten sie nur Bier vom Faß, Herr Lehmann ließ sich einen halben Liter geben, und diesmal gab es wirklich einen richtigen halben Liter. Das ist selten geworden, dachte er, denn komischerweise hat sich
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