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Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann
Autoren: Sven Regner
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irgendwann die Sache mit dem Nullvier durchgesetzt, sie haben beim Bier etwas geschafft, dachte er, was ihnen beim Kaffee nie gelungen ist, und er erinnerte sich an die große Niederlage der Kaffeeindustrie damals, an die Plakate, auf denen es geheißen hatte: Wir geben Ihnen Ihr Pfund wieder. Nun gut, dachte er, auch hier gibt es das Pfund Bier wieder, und der halbe Liter lag denn auch schwer in seiner Hand, das muß runter, dachte er, obwohl er natuärlich durch und durch Flaschenbiermann war und nach zwei Dritteln des halben Liters automatisch ein neues Bier bestellen wollte, einfach aus dem Gefuhl heraus. Das war das Blädeste, was sie machen konnten, dachte er, als sie die Halbliterflaschen Beck's auf den Markt brachten, das war wirklich das Damlichste von allem, die waren zuerst im Blockschock aufgetaucht, und Karl und er hatten es gar nicht glauben wollen, als sie die Dinger zum ersten Mal in der Hand gehalten hatten. Ach Karl, dachte er und zahlte.
    Dann stand er auf und ging nach nebenan in den Elefanten, dort war es heller und schäbiger, es sah nicht ganz so nach Kreuzberger Nächte sind lang aus, das gefiel ihm gleich besser. Es ist besser, wenn es heller ist, dachte er und versuchte sich zu erinnern, wann er das letzte Mal gedacht hatte, es war nicht lange her, da war er sich sicher, es hatte irgend etwas mit Katrin zu tun gehabt, aber das ist jetzt leider auch egal, dachte er. Er saß am Tresen und trank eine Flasche Maibock. Wieso sie im Spaätherbst Maibock am Start hatten, war ihm nicht ganz klar, der Mann am Tresen hatte etwas von Sonderangebot gesagt, Herr Lehmann hatte es eigentlich nur wegen der Abwechslung genommen, denn Herr Lehmann mochte kein Maibock. Das ist Mistzeug, dachte er, während er es trank, das geht nur zäh runter, wenigstens hat es ein paar Umdrehungen mehr, dachte er, das bringt einen weiter, und dann dachte er kurz daruäber nach, ob es nicht moäglich war, sich so zu besaufen, daß sie ihn irgendwann ins Urbankrankenhaus bringen mußten, und dann wörde er morgen vielleicht in Station 7 neben Karl aufwachen. Na, dachte er, das wöare mal echte Solidaritaöt.
    Plotzlich war Heiko neben ihm. „Hallo Frank", sagte er.
    „Hallo Heiko. Was machst du denn hier?"
    „Keine Ahnung. Ich war eben noch im Dick, aber da war nichts los. Außerdem kann ich das schwule Elend hier in Kreuzberg nicht mehr ertragen."
    „Das Hetero-Elend sieht nicht viel besser aus", sagte Herr Lehmann und schaute uöber die Schulter in den Kneipenraum. Es saßen nur ein paar truöbe Gestalten herum und schauten in ihre Getränke. „Naja", sagte er, „es ist ja noch fruh."
    „Stimmt. Wie geht's Karl?"
    „Woher weißt du das denn?"
    „Daröber reden die doch alle. Vorhin hat mich Heidi angerufen und mir alles erzöhlt."
    „Typisch Heidi", sagte Herr Lehmann argerlich. „Die soll mal schön nach Bali fahren."
    „Wie geht's ihm denn?"
    „Ganz gut. Schüft."
    „Schüft? Das ist wahrscheinlich auch mal besser. Der ist ganz schön versumpft in letzter Zeit."
    „Ja."
    Was will er denn jetzt machen, wo er nicht mehr bei Erwin arbeiten kann?"
    „Was weiß ich, mal sehen", sagte Herr Lehmann. „Kunst."
    „Ja."
    „ Ja.
    Sie bekamen beide ein neues Bier und stießen an.
    „Hast du heute nicht Geburtstag?"
    Herr Lehmann blickte Heiko an. Das wunderte ihn nun doch, daß Heiko seinen Geburtstag wußte. Es kann ja sein, dachte Herr Lehmann, daß wir uns irgendwann mal daruöber unterhalten haben, aber daß er sich so was merkt ... Und er freute sich daruber. Heiko ist uberhaupt der einzige von der ganzen Bande, dachte er, den man an so einem Abend ertragen kann.
    „Ja."
    „Hat mir Heidi erzöhlt. Herzlichen Gluckwunsch. Wie alt bist du denn geworden?"
    „Dreißig."
    „Dreißig? Das mußte man doch dick feiern."
    „Oh", sagte Herr Lehmann, „bitte nicht."
    „Schon gut."
    Weißt du" , sagte Herr Lehmann, es gibt da einen Film, so aus den 70ern oder so, da sind diese Leute in der Zukunft, und die leben unter so einer Kuppel oder unter der Erde oder so, und immer, wenn einer ein bestimmtes Alter erreicht hat, muß er in die Erneuerung, so nennen sie das. In Wirklichkeit werden die bloß umgebracht, aber sie muössen in die Erneuerung, ob sie wollen oder nicht. Und alle glauben, das ist normal."
    Kenn ich, den Film. Der Sandmann oder so. Hab ich fruöher mal im Westfernsehen gesehen, als ich noch im Osten war. Ist mit Michael York."
    Ja, jedenfalls denken die alle, das muß so sein, die denken, öalter kann
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