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Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann
Autoren: Sven Regner
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man gar nicht werden, die haben noch nie einen alten Mann gesehen. Und dann schaffen es zwei doch irgendwie raus . . . "
    „Michael York und die andere, da weiß ich den Namen nicht."
    Genau, und dann treffen die da einen alten Mann und köonnen es gar nicht fassen."
    „Peter Ustinov, glaube ich."
    „Genau."
    Ja und?"
    „Wie?"
    Was willst du jetzt damit sagen?"
    „Naja, was weiß ich, irgendwie kommt mir das hier auch so vor."
    „Also an alten Leuten ist hier wohl kein Mangel."
    „Nein, das wohl nicht. Aber irgendwie habe ich immer das Gefuhl, ich mußte mal in die Erneuerung."
    Heiko lachte. „Das ist gut. Du mußt in die Erneuerung. Ich habe eine Single zu Hause, die gibt's nur ein paar Mal, das war so 'ne Eigenproduktion, die hat ein Freund von mir mit einem anderen gemacht, da war ein Lied drauf: Die Wichtung. Da singt der immer: Sie mussen mal Ihre Wichtung erneuern."
    „Das ist auch nicht schlecht."
    „Ich wurde mir nicht zu viele Gedanken daruber machen, Herr Lehmann."
    „Frank."
    Entschuldigung, Frank. Daruöber wuörde ich mir nicht zu viele Gedanken machen. Vielleicht kommt die Erneuerung von ganz allein. Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat."
    Wo hast du das denn her?"
    „Steht da dröben irgendwo an der Hauswand, geh ich oft vorbei."
    „Naja, mal sehen."
    „Das kommt alles, wie es kommen muß."
    Ich glaube, man sollte mal woanders hingehen. Das geht mir hier alles irgendwie auf den Zeiger."
    „Gute Idee."
    Aber in keinen von Erwins Löaden. Ich kann die Penner gerade alle nicht sehen."
    „Ich auch nicht."
    „Wir konnen ja in die Kaffeebar gehen."
    Heiko verzog das Gesicht. „Das ist ein Scheißladen, Herr Lehmann. Nichts ist so schlimm wie Kneipen von ehemaligen Besetzern."
    „Ja, das sind alles Scheißladen."
    „Ich kann diese autonomen Arschlöcher nicht ertragen."
    Dann laß uns hier noch einen nehmen. Aber dann sollte man sich an den Tisch setzen", schlug Herr Lehmann vor. „Ich krieg's neuerdings immer mit dem Rucken."
    „Du arbeitest zuviel."
    Was soll ich sonst machen?"
    „Du solltest mal Urlaub machen. Mach doch mal Urlaub. Mit Karl, der braucht das auch."
    Oh ja" , sagte Herr Lehmann, der braucht das dringend. Vielleicht sollten wir nach Herford fahren."
    Sag mal, ist irgendwas?"
    Nein, warum?"
    Du hast irgendwie so was Bitteres. Du laößt dich doch von dieser Dreißigwerdenscheiße nicht fertigmachen, oder?"
    „Nix."
    „Dann ist ja gut."
    Zwei Stunden spöter verließen sie dann doch den Elefanten. Es reichte, und sie waren betrunken und bereit fur die Kaffeebar. „Ich brauch jetzt was Perverses" , sagte Heiko.
    Die Kaffeebar war in der Manteuffelstraße. Fruöher war es eine kleine Bar gewesen, nicht groößer als ein Wohnzimmer und ebenso eingerichtet, seltsam zwar, aber irgendwie nett, wenn man die Leute kannte. Heute war es ein Riesending, die Hausbesitzer waren zu Geld gekommen und hatten im Rahmen ihrer Haussanierung auch gleich die Kneipe ausgebaut. Sie setzten sich an die Bar und betrachteten das Treiben der zumeist mönnlichen Göste, von denen viele Stiefel trugen und Bundeswehrhosen, was Herrn Lehmann unangenehm an seine Dienstzeit erinnerte.
    „Das sind mal so richtige Hetero-Rabauken", sagte Heiko amusiert, „so richtige Antifa-Deppen, Mannomann, ich glaub, ich muß kotzen."
    So schlimm ist das auch wieder nicht" , beschwichtigte Herr Lehmann, dem schon alles egal war.
    Seit wann bist du denn so liberal drauf?"
    „Naja, wenigstens ist Kristall-Rainer nicht hier."
    Ach der . . . Ich wollte ja nicht fragen, aber ist da nichts mehr mit dir und Katrin?"
    „Nix."
    „Hat mir Heidi auch noch erzahlt. Mannomann, ist das deprimierend."
    „ Ja.
    So ging das immer weiter. Gegen eins kam dann jemand herein, stellte sich neben die beiden an den Tresen und bestellte ein Bier.
    „Hast du schon gehort?" fragte er den Mann hinter der Bar.
    „Was denn?"
    „Die Mauer ist offen."
    „Was ist?"
    „Die Mauer ist offen."
    „Ach du Scheiße."
    „Hast du gehört?" fragte Herr Lehmann, der jetzt ziemlich betrunken war.
    „Was denn?" fragte Heiko, der schon Anzeichen machte, wegzunicken.
    „Die Mauer ist offen."
    „Ach du Scheiße."
    „Hor mal, Heiko, schließlich bist du selber aus dem Osten."
    Das geht mir schon seit Wochen auf die Nerven. Immer, wenn ich den Fernseher anmache: Osten, Osten, Osten. Was kann ich daför, daß ich aus dem Osten komme? Was meinst du, wie das da war mit den Arschlöochern? Als Schwuler im Osten, das ist der letzte Scheiß. Die Mauer
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