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Heiter weiter

Heiter weiter

Titel: Heiter weiter
Autoren: Maria von Welser
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Mitglied im Komitee von UNICEF seit 1993 und seit 2008 im Vorstand. Das will ich auf alle Fälle weitermachen. Dann gehen mein Mann und ich gerne in Konzerte und Opern. Ich früher gehetzt aus dem Büro, in dem ich mich noch schnell in Schale geworfen hatte. Bewegung ist mir wichtig, Sport, frische Luft und und und … wie das alles neu organisieren? Sinnvoll unter einen Hut packen?
    Aus den Münchner Jahren ist mir eine Kollegin noch gut in Erinnerung. Nach ihrer Zeit als fest angestellte Redakteurin einer Monatszeitschrift begann sie Menschen zu beraten. Coaching nennt sie das. Könnte das nicht auch mir helfen? Meine Gedanken klären, ordnen? Ich mache einen Termin. Sie sagt, es wird einen ganzen Tag dauern. Na denn … auf nach München. Wir Journalisten sind doch gut im Recherchieren. Jetzt betreibe ich »Eigenrecherche«.
    Und sehe dem dritten Leben ein wenig gelassener entgegen. Geordneter. Schon allein das beruhigt.

    Doch da gibt es auch noch eine ganz private Liste, die in diesem dritten Leben eine Rolle spielen soll. Die privaten Kontakte. Bestehende Freundschaften pflegen, verloren gegangene neu beleben, aktivieren. Die Enkelkinder und Kinder öfter sehen. Mit meinem nachsichtigen und einfühlsamen Mann mehr Zeit verbringen. Schließlich hat er doch seit seinem Eintritt in den Ruhestand alle Umzüge und beruflichen Neuanfänge seiner Frau klaglos mitgetragen. Und nur guten Freunden verraten, dass er sich auf meine »Zeit danach« sehr freut und so sehr hofft, dass ich dann mehr Zeit für ihn habe.
    Dann gibt es im Haus so viele Ecken und Räume, die ich gerne ordnen will: die Vorratskammer, die Garage, der Schrank meines Mannes, seine Schubladen … und dann alles wegpacken für den nächsten Flohmarkt-Einsatz oder fotografieren für Internet-Verkäufe.
    Auch der Garten harrt meiner kreativen Hand. Die Arbeit springt mir schier ins Auge. Hier beschneiden, dort neu pflanzen. Die Bäume dort hinten müssen weg. Viel zu groß, werfen sie lange Schatten. Manche Büsche bedürfen einer neuen Form. Ich weiß aber auch: Irgendwann ist das alles gemacht. Und dann? Immer so weiterwuseln, neue Termine ausmachen, eintragen, vorbereiten. Listen anlegen und sie abarbeiten. Ist das dann nicht eher wie im Berufsleben, nur an anderen Orten?
    Sicher: Es hilft im ersten Jahr danach. Geplantes Altern erscheint mir eine kluge Brücke. Planloses Altern ist kein Konzept. Zwischen all den Aktivitäten und Vorträgen, manchen Golfrunden und Heckenschnitten bleibt aber doch auch Zeit zum Innehalten. Vielleicht weil der Körper nach einer Pause verlangt? 40 Jahre in Redaktionen,
vor Ort in fremden Ländern, in Schneideräumen und Studios gehen nicht spurlos vorüber. Die Fitness lässt zu wünschen übrig und beim Ruhen kommen dann ganz andere Gedanken auf. Was, wenn die Psychologen recht haben mit dem »Loslassen-Lernen«? Mit dem »Entdecken der Langsamkeit«, was Sten Nadolny so perfekt beschrieben hat? Wenn wir uns tatsächlich aus dem bisherigen Lebensmuster verabschieden müssen und sollen, sollten wir dann vielleicht, wie beim Verlust eines lieben Menschen, ein Trauerjahr einlegen? Damit etwas Neues, Echtes, Authentisches entstehen kann?
    Heiter weiter – ja. Aber genauso? Ganz sicher nicht. Wohl dem, der Menschen um sich hat, bei denen er sich wohl und geborgen fühlt. Einen Partner im wahrsten Sinn des Wortes. Freunde, die man notfalls auch nachts anrufen kann. Die eigenen Kinder sind da meistens weniger hilfreich. Denn die stecken ja selbst oft mittendrin in ihrem zweiten Leben und haben Karriere und die eigenen Kinder auf dem Radarschirm. Enkel können beglücken. Auch weil wir nicht mehr in vorderster Front stehen mit der Verantwortung für sie.
    Menschen meiner Generation haben das unglaubliche Glück, über 65 Jahre Frieden erlebt zu haben. In einer stets weiter prosperierenden Gesellschaft. Finanzkrise und Eurokrise waren für manche von uns schmerzhaft. Im Kern war unsere Gesellschaft dennoch unglaublich gefestigt: Wir hatten keine Probleme, nach der Schule und unserer Ausbildung einen Beruf zu ergreifen. Wir wussten, dass wir einen Job finden. Unsere Kinder und Enkel haben es da schwerer. Wir konnten arbeiten, Urlaub machen, sparen, manche gar Vermögen ansammeln. Darum
ist es für mich selbstverständlich, dass ich in meinem dritten Leben dieser Gesellschaft etwas zurückgeben möchte. Meine Kompetenz, mein Wissen weiterreichen. Ohne Geld. Im Ehrenamt oder in einem sozialen Engagement. Eine Hilfsorganisation wie
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