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Heiter weiter

Heiter weiter

Titel: Heiter weiter
Autoren: Maria von Welser
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wieder als Arzt arbeiten, die Kinder sollten in die Schule gehen. Vor allem aber: Alle wollten so schnell wie möglich aus dem Containerdorf für Asylbewerber heraus, das im Hamburger Norden von der Stadt eingerichtet worden war. Mein Mann jedenfalls war während der nächsten Wochen ganz schön eingedeckt mit Telefonaten, Amtsbesuchen und der Wohnungssuche. Am Abend zu Hause aber wirkte er mit sich im Reinen. Wenn er wieder irgendwo ein Möbelstück, Küchenutensil oder Elektrogerät umsonst ergattern konnte, die Töchter in der Schule angenommen wurden, die Muttervon einer pensionierten Englischlehrerin jetzt Deutschunterricht erhielt – das hat ihn gefreut und zufrieden gemacht.
    Am Ende konnte die siebenköpfige Familie in eine ausreichend große Wohnung ziehen, es standen genug Möbel in den Zimmern, Kochtöpfe und Geschirr in der Küche und der Vater hatte einen Job als Arzt. Zwar befristet, aber immerhin. Alles in allem dauerte das zwei Jahre. Aber bis heute kommt jedes Weihnachten ein Anruf, ein Brief und ein Dank. Mein Mann verbucht das Unternehmen »Tschetschenische Familie« unter »erfolgreich abgeschlossen«. Jetzt hat er neue Aufgaben; einmal die Woche wird ein einsamer Mann mit Kuchen besucht, einer alten Dame beim Einkaufen geholfen und im Büro der Einrichtung der Telefondienst übernommen. Aufgaben, die nicht die Welt bewegen, aber einzelnen Menschen helfen, einen selbst zufrieden machen und einem vor allem einen Rahmen geben. Das ist nicht zu unterschätzen!

    So ein Rahmen ist einfach wichtig. Gerade im dritten Leben. Ohne das alte berufliche Korsett fangen wir ganz leicht an zu schludern, uns nicht mehr so ordentlich anzuziehen, zu frisieren und nur noch im Trainingsanzug durch die Wohnung zu schlurfen. Nichts gegen Trainingsanzüge – aber bitte nicht den ganzen Tag. Gerade auch in einer Partnerschaft ist es wichtig, noch nett auszusehen und in einem selbst gesetzten Rahmen Aufgaben zu übernehmen.
    Wen es in seinem dritten Leben ins Ausland zieht, wer im Berufsleben eine Fachkraft mit einem reichen Erfahrungsschatz war – der wäre zum Beispiel beim Senior Experten Service (SES) gut aufgehoben. Die Stiftung vermittelt ehrenamtliche Helfer ins Ausland, wo deren Expertise bei kleinen und mittleren Unternehmen gefragt ist. Wo das Know-how der deutschen Fachkräfte dringend nötig ist.
    Ich kenne Männer, die nach ihrer Pensionierung in China und Brasilien eingesetzt wurden, um bei der Produktion von Elektro- und Kleinmotoren zu helfen. Flugkosten, Unterkunft, Verpflegung und ein kleines Taschengeld von maximal 15 Euro pro Tag übernimmt das ausländische Unternehmen. Ansonsten gilt für die Facharbeiter aus Deutschland die Maxime: Hauptsache Spaß an fremden Ländern und Kulturen!
    Aber auch Frauen mit einer technischen, sozialen oder medizinischen Vorbildung finden Jobs beim SES. Wie Katarina, 66 Jahre alt, aus Thüringen. Sie hat ihr Leben lang als Textilingenieurin gearbeitet. Mit 65 Jahren ging die rüstige Ostdeutsche in Rente – und nichts war mehr wie früher. Sie fühlte sich im Abseits, alleine und war
traurig. Im Internet entdeckte sie den Senior Experten Service und eine Nähfabrik in Rumänien, die Hilfe und Unterstützung von Fachleuten brauchte. Seitdem fährt sie dort immer wieder hin. Hilft das Lager neu zu sortieren, die Arbeitsgänge zu optimieren. Später konnte Katarina sogar einige Projekte beim SES zusammen mit ihrem 70-jährigen Mann umsetzen. Der ehemalige Textilmaschinenbauer half in Textilfabriken in Kambodscha, Afrika und Südamerika. Die beiden finden diese Wechsel zwischen Aufgaben im Ausland und daheim das dritte Leben genießen einfach perfekt.
    Verständlicherweise sind es überwiegend Männer, die diese Jobs für eine gewisse Zeit übernehmen. Wer lieber zu Hause bleiben möchte und gerne mit Kindern zusammen ist, für den ist der »Oma-Hilfsdienst« vielleicht eine gute Alternative. Einer dieser Vereine nennt sich Jung & Alt e.V. und versteht sich als Vermittler zwischen den Generationen. Junge und ältere Menschen sollen zusammengebracht und zu gegenseitiger Hilfe ermutigt werden. Mit Schaudern erinnere ich mich noch an die Tage, an denen ich ins Fernsehstudio oder die Redaktion musste, aber das Kindermädchen krank wurde oder eines der Kinder fieberte. Weit und breit war keine Oma oder Leih-Oma zu sehen! Der Anruf im Job »Ich kann heute leider nicht kommen, weil…« steckt mir heute noch in den Knochen. Wenn es damals schon den Oma-Service gegeben hätte
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