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Heiter weiter

Heiter weiter

Titel: Heiter weiter
Autoren: Maria von Welser
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tätig zu werden? Dann lassen Sie mich kurz etwas über die Entwicklung dieses geschichtlich interessanten Aufgabenbereiches erzählen. Denn in allen Gesellschaften und historischen Epochen haben sich Menschen allein oder gemeinsam mit anderen für das Gemeinwohl engagiert. Dabei lassen sich die Wurzeln des heutigen Ehrenamtes bis in das 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Seit dieser Zeit hat das Ehrenamt einen langen Weg zurückgelegt:
von der Einbindung des erstarkenden Bürgertums in die kommunale Selbstverwaltung durch die preußische Städteordnung bis zum heutigen politischen Ehrenamt,
vom »Elberfelder System«, das Mitte des 19. Jahrhunderts die kommunale Armenfürsorge und deren Kontrollen ehrenamtlich bestellten Bürgern überantwortete und sich zum Sozialamt moderner Prägung entwickelte,
vom karitativen Wirken in Orden, Klöstern und Kirchengemeinden zum kirchlichen und sozialen Ehrenamt,
von den Frauen der ersten bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung, denen es um Arbeit, (Aus-)Bildung und politische Rechte ging, bis zum heutigen Ehrenamt in Frauenverbänden und der Herausbildung sozialer Berufe
bis zu den unendlich vielen Vereinen und Zusammenschlüssen auf den Gebieten des Sports, der Kultur, der Geselligkeit, der Politik.
    Sie staunen? Kein Wunder! Das Feld ist weit und kaum überschaubar.

    Wichtig ist aber zu wissen: Ehrenamtliche Tätigkeit kann und darf kein Ersatz für hauptberufliche Aufgaben sozialer Fachkräfte und keine stille Korrektur sozialpolitischer Fehlentwicklungen sein. Ehrenamtliche Tätigkeit ist ein eigenständiges und selbstbestimmtes Betätigungsfeld, bürgernah, unbürokratisch (hoffentlich – sonst lassen Sie’s!) und für die Beteiligten unmittelbar erfahrbar. Es gibt so viele Bereiche, in denen ehrenamtliche Fähigkeiten und Talente in Deutschland gebraucht werden. Überlegen Sie sich einfach, was Ihnen ein Herzensanliegen ist. Sie können sich einbringen:
im Bildungs- und Erziehungssystem,
in der Kirche,
in der Wohnungslosenhilfe und im sozialen Bereich,
im Gesundheitssektor und in der Pflege,
in der Kinder- und Jugendarbeit,
im Sport,
in der Politik und in Ihrem unmittelbaren Wohnumfeld,
im Umwelt-, Landschafts-, Natur- und Tierschutz,
im Wirtschafts- und Arbeitsleben,
im Rechtswesen, zum Beispiel als Laienrichter,
in der Entwicklungshilfe und in der Menschenrechtsarbeit,
im Rettungswesen und
im Katastrophenschutz.
    Wenn Sie dies jetzt alles lesen, dann lassen Sie sich nicht entmutigen: klein anfangen, vielleicht erst mal nur hingehen und zusehen. Wenn Sie sich dort nicht wohlfühlen, ruhig wieder gehen. Ein Ehrenamt sollte Ihnen auch Freude bereiten. Nicht nur den anderen.

    Noch etwas, das Sie wissen sollten: Zum 1. Januar 2000 wurde die sogenannte Übungsleiterpauschale von zuvor 1200 Euro auf 1848 Euro erhöht und in einen Steuerfreibetrag umgewandelt. Dazu wurde der Kreis der Begünstigten erweitert. Neben Übungsleitern zählen jetzt auch Ausbilder, Erzieher und Betreuer dazu. Steuerbegünstigt sind außerdem bestimmte künstlerische Aufgaben sowie nebenberufliche Tätigkeiten bei der Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen. Das ist sicherlich ein interessanter Punkt für alle, die im dritten Leben gerade mal so recht und schlecht mit ihrer Rente oder ihrer Pension über die Runden kommen.
    Genug der Theorie. Ich möchte Ihnen jetzt einfach Lust machen, auf die Suche nach der richtigen Aufgabe für Sie in Ihrem dritten Leben zu gehen. Damit Sie das Gefühl nicht verlieren, etwas wert zu sein. Wertvoll im wahrsten Sinn des Wortes – auch für andere.
    Mein Mann hat sich, als wir aus dem Ausland wieder nach Deutschland zurückkamen, auf der oben beschriebenen Ehrenamts-Börse schlaugemacht. Das Freiwilligen-Forum bei uns in der Nähe im Norden Hamburgs gefiel ihm am besten. Die Damen und Herren dieser an die evangelische Kirche angelehnten Einrichtung freuten sich über den Neuzuwachs. Immer dienstagsabends trifft man sich, bespricht, was zu tun ist und wer sich wofür eignet. Mein Mann übernahm die Betreuung eines tschetschenischen Arztes. Er ist Mitte 40, hat fünf Kinder, zwei davon sind behindert. Er und seine Frau, ebenfalls Ärztin, waren vom deutschen Staat als Asylanten anerkannt worden. Ihre dramatische Lebensgeschichte mit Folter und Haft in russischen Gefängnissen wurde von niemandem
angezweifelt. Was sie jetzt brauchten: eine Wohnung. Behindertengerecht, damit die Tochter im Rollstuhl auch die Wohnung verlassen konnte. Der Vater wollte
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