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Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)

Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)

Titel: Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)
Autoren: Volker Ferkau
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1
     
     
    Oliver legte seiner Mutter die Ratte vor die Füße. Daniela Strauss traute ihren Augen nicht, denn die Ratte bestand aus zwei Hälften und ihre Därme und das dunkle Blut verschmutzten die Fußmatte. Sie war in der Mitte zerteilt worden.
    » Warst du das?«, fragte Daniela.
    » Ob ich die Ratte kaputt gemacht habe?«, antwortete der achtjährige Junge.
    » Hast du?«
    » Ich habe sie zerschnitten. Mit Papas Taschenmesser.«
    Die hellen blauen Augen leuchteten wie kleine Scheinwerfer und überstrahlten die Kühle im ebenmäßigen Gesicht des Jungen. Mit einer trotzigen Geste wischte er sich die langen blonden Haare aus der Stirn und reckte das Kinn nach vorne. »Ratten sind ekelhaft!«
    » War sie schon tot?«
    Oliver zuckte die Achseln. »Nicht ganz. Irgendwie halbtot, als ich sie gefunden habe. Ich hab den Rest gemacht. Sie hat laut gequiekt.«
    » Sie hat gequiekt?«
    » Ja, aber nicht lange.«
    » Geh rein«, sagte Daniela tonlos, bückte sich, klappte die Matte zusammen und warf sie mitsamt der Ratte in den Mülleimer, während ihr Sohn das Haus betrat und die Straßenschuhe auszog. Das tote, schmierige Ding war ekelig und sie bekam eine Gänsehaut. Widerlich!
    » Warum hast du sie weggeschmissen, Mama?«
    Daniela Strauss klappte der Mund auf. Sie fasste sich. »Was hattest du damit vor?«
    » Du hättest sie wieder zusammennähen können. So wie Oma damals meinem Teddy den Kopf wieder angenäht hat.«
    Daniela spürte kalte Finger über ihren Rücken tasten. »Sag mal ... spinnst du?«
    Mit meinem Sohn stimmt etwas nicht!
    »Warum sagst du das?« Olivers Stimme klang härter, fast herrisch.
    Daniela war überfordert. Sie wusste, dass viel auf die folgenden Minuten ankam, auf ihre Reaktion, auf ihren Verstand, ihre Übersicht. Stattdessen sagte sie: »Geh in dein Zimmer. Und zwar sofort! Und da bleibst du, bis Papa nach Hause kommt, ist das klar?«
    Lächelte Oliver? Ja, er tat es. Ganz still lächelte er, nickte fast unmerklich und ging auf Socken davon. Bevor er die Treppe zu seinem Zimmer hoch stieg, blieb er stehen, drehte sich um und sagte deutlich: »Ich bin kein Mörder, Mama. Es ist doch nur eine Ratte.«
    » Wasch dir die Hände und gehe in dein Zimmer. Wir sprechen später darüber«, stieß Daniela hervor.
    » Okay«, sang der Junge, als sei nichts geschehen, strahlte seine Mutter an und sprang die Stufen hoch.

2
     
    Daniela und Stefan Strauss hatten sich jahrelang vergeblich ein Kind gewünscht. Es dauerte eine Weile, bis der Urologe feststellte, dass Stefans Samenzellen müde Schnecken waren. Nach langen Gesprächen einigte sich das Paar, Daniela künstlich befruchten zu lassen. Man entnahm Stefan Spermien aus den Nebenhoden und unterzog die Eizelle einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion. Daniela spritzte sich wochenlang tapfer die nötigen Hormone in die Bauchdecke. Der gesamte Eingriff war lästig, doch sie standen es gemeinsam durch, getragen vom Wunsch, Eltern zu werden.
    Und es gelang auf Anhieb.
    Daniela wurde schwanger und neun Monate später stand Stefan am Bett seiner Frau und weinte vor Glück.
    Sie nannten ihren Sohn Oliver und gaben sich das Ehrenwor t, alles für dieses Kind zu tun, stets für es da zu sein. Ihr Leben hatte endlich einen Sinn.
    Von nun an gedieh Stefans Karriere als Anlageberater, als habe das Kind einen inneren Motor angeworfen. Daniela ging in ihrem Beruf als Mutter auf wie eine prächtige Blüte. Nicht einen Tag war ihr das Schreien des Kindes, seine Launen und mögliche Schwierigkeiten, die kleine Kinder bereiten, lästig. Das gehörte für sie dazu.
    Sie und Stefan hatten so viel getan, um dieses Kind zu bekommen, also betrachteten sie den hübschen blonden Jungen als ihr ganz persönliches Geschenk und Glück.
    Oliver kam in den Kindergarten, dann in die Vorschule. Er galt als intelligent, freundlich und zuvorkommend , ein stilles Kind, das sehr oft nach innen zu blicken schien. Seine Stimme war kontrolliert, seine Bewegungen wirkten manchmal seltsam erwachsen. Als er sechs wurde, konnte er lesen und einfache Worte schreiben, was er sich in seinem Zimmer selbst beigebracht hatte. Es bereitete ihm keine Mühe, einfache Gedichte auswendig zu lernen, und als Stefan versuchsweise mit dem Kleinen Schach spielte, erstaunte Oliver seine Eltern mit einer Rochade und einem Angriff, der so manchen Erwachsenen überfordert hätte.
    Sie sprachen mit den Lehrern. Ne in, Oliver war nicht hochbegabt, auch wenn es so schien, sondern ein ganz normales Kind.
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