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Heisser Draht nach Paradiso

Heisser Draht nach Paradiso

Titel: Heisser Draht nach Paradiso
Autoren: Stefan Wolf
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wühlen.“
    „Du hast noch eine Minute zum
Rückzug“, sagte Gaby. „Dann tanzt nämlich mein Freund an. Er kommt vom
Karate-Training. Und er rastet aus, wenn mich jemand belästigt.“
    Gaby schwindelte. Tim war nicht
im Anflug, sondern zur Zeit bei den Sauerlichs — Klößchens Eltern — in der
bombastischen Villa. Dort wurden Vorbereitungen getroffen für die Ferienreise.
    „Schon gut, schon gut“, meinte
der Typ und ließ sein Grinsen erkalten. Offenbar glaubte er Gaby, denn er
trollte sich, achselzuckend und nicht ohne eine verächtliche Geste.
    Gaby nahm die Geldbörse an
sich.
    Wie erwartet: Die für Geld
bestimmten Fächer waren leer. Aber hinten steckten zwei Briefmarken und der
Abholzettel einer Wäscherei namens BLÜTENDUFTIG.
    Dann war da noch was Festes in
einem der Fächer. Tatsächlich: ein Personalausweis.
    Gaby blickte auf das Foto einer
betagten Dame. Aus dem Geburtsdatum ging hervor: Sie war 77 Jahre alt.
    Würdiges Gesicht mit feinem
Lächeln, silbrige Frisur. Ein Perlen-Clip am ziemlich langen Ohrläppchen war zu
sehen.
    Pauline Angermann, geborene
Nolte-Schreyhaltz.
    Not hatte sie sicherlich nie
gelitten, und Gaby traute ihr zu, daß sie mit der Putzfrau umsprang, den
Elektriker nervte und grundsätzlich alles besser wußte. Aber sicherlich hob sie
niemals die Stimme und drückte sich immer gewählt aus.
    Auf dem Abholzettel stand die
Adresse: Pflaster-Gasse 11. Das war in der Nähe, in der hintersten Ecke der
Fußgänger-Zone, wo auch tagsüber wenig los ist und schon jetzt am frühen Abend
der Gehsteig hochgeklappt wird.
    Ehe ich’s beim Fundamt abgebe,
dachte Gaby, bring’ ich’s ihr vorbei. Ist nur ein kleiner Umweg. Mal sehen, ob
sie wirklich so ist, wie ich sie einschätze.
    Gaby — auch Pfote genannt,
wegen ihrer Gewohnheit, sich von allen Hunden die Pfote geben zu lassen — schob
die Geldbörse in die Einkaufstüte und dann ihr Klapprad in Richtung
Pflaster-Gasse.

2. Blinder Alarm?
     
    „Du liebe Güte! Nicht schon
wieder!“
    Polizeimeister Knotinger deckte
eine Hand über die Sprechmuschel und grinste.
    Sein Kollege Sägerecht, der dem
15. Polizei-Revier erst seit gestern zugeteilt war, hielt mit seinem
Schreibkram inne und spitzte die Ohren.
    „’n Abend, Frau Angermann“,
sprach Knotinger in die Sprechmuschel. Gleichzeitig winkte er Sägerecht zum
Mithören neben sich.
    Der sprang sofort auf und
umrundete den Schreibtisch, ganz der eilfertige Typ, immer freundlich und
bereit.
    „...sind diesmal ganz bestimmt
Einbrecher in der Bank“, drang eine zittrige Altfrauen-Stimme durch die
Leitung. „Sie haben gesprengt. Sehr laut.“
    „Gesprengt? Sie meinen!
Kraaach! Wuuuummm?“
    „Ja.“
    „Sind Sie sicher, Frau
Angermann? Vielleicht kam das Geräusch aus dem Fernseh-Apparat.“
    „Den habe ich doch gar nicht
eingeschal... Doch, ja. Da läuft ein Film. Aber gesprengt wurde in der Bank,
Herr Knotinger. Ganz bestimmt war das eine Explosion.“
    „In Ordnung, Frau Angermann.
Wir kümmern uns darum. Vielen Dank für den Hinweis.“
    Er legte auf.
    „Plemplem?“ fragte Sägerecht.
Was sonst hätte Knotingers Grinsen bedeutet.
    „Total.“ Der Polizeimeister
wischte über sein rotes Gesicht. „Ich habe mitgezählt. Das war ihr 19. Anruf.
Jede Woche passiert’s. Immer am Freitagabend. Immer verlangt sie mich. Bin der
einzige, den sie hier kennt. Die ersten Male — etwa bis zum achten Anruf — ist
ein Streifenwagen hingeprescht. Nie auch nur die Spur von ‘nem Einbruch.“
    „Um welche Bank geht’s denn?“
    „Um Seidl & Brinkheym,
die Privatbank in der Pflaster-Gasse. Kennst du, ja? Ist ganz hinten in der
Altstadt-Fußgänger-Zone. Abends ist die Gegend tot wie ein Friedhof. Keine
Gaststätten, keine Kneipen, nichts, was Spaziergänger anlockt. Dort wohnt auch
sonst niemand. Nur Bürohäuser. Mir ist rätselhaft, warum Pauline Angermann
nicht woanders hinzieht.“
    „Sie wohnt bei der Bank?“
    „Darüber. Im selben Haus.“
    „Wie das?“
    „Pauline ist 77. Und Witwe. Die
einzige Tochter war nach Italien verzogen. Ist dort tödlich verunglückt. Aber
Pauline hat noch ihre Enkelin Florentine. Die lebt leider nicht hier, sondern
in Lugano. Ist dort verheiratet. Ich finde, sie sollte sich ein bißchen um die
Großmutter kümmern. Die wird wirklich immer wunderlicher.“
    Sägerecht stocherte in seinen
Zähnen. „Und? Was ist mit der Bank? Wieso wohnt die alte Dame über dem
Geldinstitut?“
    „Ihr gehörte das Haus. Die
Bankleute wollten rein. Unten und
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