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Heisser Draht nach Paradiso

Heisser Draht nach Paradiso

Titel: Heisser Draht nach Paradiso
Autoren: Stefan Wolf
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in den ersten Stock. Pauline war
einverstanden, beharrte aber darauf, in ihrer Wohnung zu bleiben. Im
Dachgeschoß. Wie seit 50 Jahren. Kann sein“, lächelte Knotinger, „daß sie sich
für einen Wachmann hält.“
    „Lästig.“
    „Eher lustig. Mich amüsiert
ihre Schrulligkeit.“
     
    *
     
    Wohin man sieht, dachte Gaby:
nur Stein, Beton, Asphalt. Hier hat der Mensch die Natur ausgesperrt und den
Boden versiegelt. Kein Halm, kein Strauch. Huch! Und nicht mal ein Blumentopf
in den Fenstern.
    Sie radelte durch die
Pflaster-Gasse. Die war nicht lang, aber breit wie eine Allee.
    Radfahren verboten. Doch
niemand zeigte sich, um das zu bemäkeln. Totale Stille. Nur Schatten und die
Hitze des Tages, gespeichert von den Bürohäusern.
    Gaby atmete auf, als ihr zwei
Mädchen entgegenkamen — beladen mit einem Geigenkasten die eine, mit einer
Tennistasche die andere. Die Geigerin sah sportlich aus, die andere pummelig.
    Dann stand Gaby vor dem Haus
Nr. 11.
    Eine Bank. Nanu! Seidl
& Brinkheym — Privatbank. Die Bank, die Sie reich macht! Gaby
entsann sich an den Werbespruch, der häufig in den Zeitungen stand.
    Hohe Fenster im Erdgeschoß,
vergittert, dahinter weiße Leinen-Jalousien. Ein Gittertor vor dem Eingang. Und
Feierabend seit mindestens zwei Stunden.
    Gaby holte die Geldbörse hervor
und sah abermals auf den Abholzettel.
    Doch! Die Adresse stimmte. Aber
wo, zum Teufel, wohnte hier die 77jährige Pauline Angermann?
    Gaby blickte nach oben.
    Im ersten Stock waren die
Fensterscheiben weißlich-geriffelt. In Goldlack-Buchstaben prangte auch dort
der Firmen-Name.
    Dann kam schon das Dachgeschoß.
Dort hatten die Fenster Blümchen-Gardinen. In dem vor der Hausecke standen
Kakteen wie Orgelpfeifen. Und im vierten von rechts hing noch ein
Weihnachts-Stern aus Stroh. Jetzt im Hochsommer! Vielleicht war Pauline schon
ein bißchen vergeßlich.
    Wenn sie hier wohnt, dann dort
oben, dachte Gaby. Wo geht’s rein? Wo ist die Klingel?
    Zwischen der Bank und dem
nächsten Gebäude zweigte ein namenloses Gäßchen ab. Gaby begriff. Es mußte ihn
geben, den Neben-Eingang.
    Und richtig! Als sie ihr Rad in
das Gäßchen schob, stand sie auch gleich vor dem Eingang zum Hof, einer
Gittertür, die nicht eingeklinkt war. Den Hof grenzte eine Mauer ab.
    Gaby öffnete die Gittertür,
bemerkte zwei Mülltonnen, hob ihr Rad über die Schwelle und trat zu dem
Seiten-Eingang der Bank.
    Ein Briefkasten hing neben der
Tür: P. ANGERMANN.
    Dazu gab’s auch eine Klingel.
    Eben wollte Gaby sich bemerkbar
machen, als sie ein Geräusch hörte. Jemand war hinter der Tür. Und auch die war
— wie Gaby jetzt sah — nur an gelehnt.
    „Frau Angermann?“
    Gaby hatte ihr Rad abgestellt
und drückte die Tür auf.
    Nichts. Niemand.
    Sonderbar! Sie hatte Schritte
gehört, ganz deutlich.
    Verwundert blickte sie in den
Flur.
    Er war lang, kühl und
halbdunkel. Eine Treppe am Ende. Sie führte nach oben. Nur auf einer Seite
zweigten Türen ab. Die gehörten sicherlich zu den Geschäftsräumen der Bank.
    Gaby war nicht beunruhigt. Mit
der Geldbörse in der Hand trat sie ein. Noch war sie unschlüssig. Hinaufgehen?
Der alten Dame die Geldbörse persönlich überreichen? Bestimmt war das netter,
als damit den Briefkasten zu füllen.
    Gaby ging an der ersten Tür
vorbei und erreichte die zweite. Sie stand offen und führte direkt in den
Schalterraum.
    Dort standen sie, zu dritt. Und
hatten nicht gehört, daß jemand kam.
    Zwei wandten Gaby den Rücken zu
und beugten sich über irgendwelche Taschen oder Koffer.
    Der dritte gewahrte Gaby im
selben Moment wie sie ihn.
    Schwarze Augen, eiskalt,
starrten. Ein dunkles, südländisches Gesicht mit dicker Narbe auf der linken
Wange. Er hatte schwarze Locken und sah nicht übel aus — etwa wie der
Terrassen-Kellner in einem Strandhotel. Jeans, dunkles Sweatshirt, Handschuhe.

    Gaby brauchte keine Erklärung.
Das hier waren weder Wachmänner noch die Männer-Riege von der Putz-Kolonne.
    Der Narbige schnellte vor, Gaby
entgegen, wobei er einen Fluch murmelte.
    Sie wollte sich herumwerfen,
aber schon war er bei ihr, packte sie hinterrücks. Ein Arm wie eine
Eisenklammer umschlang sie. Die freie Hand preßte sich auf Gabys Mund. Unter
dem Handschuh erstickte der Schrei. Sie wurde hochgerissen, schwebte. Der Mann
war stark. Gabys Füße zappelten. Sie trug Turnschuhe, die hier im Flur kein
Geräusch verursacht hatten.
    „Du still sein!“ zischte die
Stimme an ihrem Ohr. „Du ganz ruhig. Sonst ich grob
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