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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika
Autoren: Heinz Strunk
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ungeduldig am Kaffeerund wartet? In Sorge um
mich
? Mein Handy steckt am Aufladegerät. Zwölf entgangene Anrufe von Candy. Kurzwahl C.: Tut tut tut tut tut, immerhin ist sein Telefon nicht ausgeschaltet. Auf lautlos gestellt, damit es nicht beim Nickerchen stört! Das ist es!
    Am Ozean ist er nicht, am Big Pool auch nicht und auf seinem Zimmer erst recht nicht. Der Plumpspool wird aus irgendwelchen Gründen gerade mit Eimern leer geschöpft, und das Kaffeerund hat noch geschlossen. Stillleben: eine Gruppe Rentner beim Boulen. Ich muss die Hotelleitung informieren. Um alles Weitere werden die sich kümmern, und ich kann endlich, endlich, endlich ausruhen und zur Besinnung kommen. An der Lobby verrichtet eine einzige, einsame junge Frau ihren Dienst:
Kanada
. Komischer Name. In einem Ton, der keinen Widerspruch duldet, verlange ich den
Chief Director
zu sprechen. Ihr Blick verschleiert sich, als würde er von innen mit etwas Trübem zugezogen. Sie schaut leer, wie es leerer nicht geht. Offenbar mangelt es mir und meiner Stimme an Durchsetzungsfähigkeit. Schlagkraft. Feuerkraft. Egal, nachsetzen:
    «My friend has been kidnapped. In Mombasa, last night.»
    «Oh, I thought he is your brother.»
    Wieso Bruder? Sind wir Gegenstand der Tagesgespräche des Personals? Wird sich über uns das Maul zerrissen, hinter vorgehaltener Hand über uns getratscht?
    «You shouldn’t go to Mombasa. It’s dangerous.»
    «Jaja, dangerous, I know. I need to speak the Chief Director. You know? Manager on duty. Acting manager. Head of.»
    Kanada schaut mich mit halb offenstehendem Mund an. Sie hat ganz schiefe Zähne.
    «Where is the director?»
    «Oh, he is coming back in the late afternoon.»
    «You have to call the police. You understand? My friend has been kidnapped, I need to speak with the police.»
    In ihrem Gesicht der Abdruck des absoluten Nichts. Wirklich erstaunlich. Vielleicht helfen Wiederholungen.
    «Police. Mombasa Police. Police Headquarter. Kenya Police.»
    Ein Anflug von Verstehen huscht über ihre Züge. Sie schaut in ein Heft, kritzelt etwas auf einen Zettel und schiebt ihn zu mir hinüber. Ihre Hände sind rissig, die Haut an den Daumen blutig.
    «This is the address of the Mombasa Police Headquarter.»
    «No, not the address! I can’t go into town! It’s war. They have to come. To the hotel. You understand? The police has to come to the hotel!»
    Sie greift zum Telefonhörer. Laber, laber.
    Give me hope, Jo’anna, give me … hope, Jo’anna.
    Hope, kann ich gut gebrauchen.
    Laber, laber. Kanada hängt ein.
    «Somebody will come.»
    «When?»
    «Maybe in the afternoon.»
    «In the afternoon? Why not now? My friend is in big trouble.»
    «Sir, the police will come, I promise. Just a second.»
    Sie blättert in einem Verzeichnis. Ihre Hände sehen wirklich schlimm aus. Dann legt sie den blutigen Daumen an eine bestimmte Stelle. Deutsches Konsulat. Ludwig Krapf House, Riverside Drive 113, Nairobi, Tel. 00 25 42 04 26 21 00. Aufschreiben.
    «Thank you, Kanada.»
    Leute immer mit Namen ansprechen. Das schafft Verbindlichkeit.
    «See you later.»
    Kanada guckt komisch. Mein Gott, wenigstens Good Luck könnte sie mir wünschen, irgendwas, eine menschliche Geste, ein Zeichen der Anteilnahme.
    Eine geschlagene Stunde versuche ich durchzukommen, zwecklos, die Leitungen sind zusammengebrochen oder tot oder verstopft oder alles zusammen. Da haben wir’s, denke ich, das Land versinkt endgültig in Anarchie und Chaos. Von der Meerseite erhebt sich ein gewaltiges Dröhnen. Fünf schneeweiße Helikopter rauschen über das Gelände. Wer weiß, vielleicht Verstärkung aus dem Ausland, Blauhelme, Task Force, internationale Eingreiftruppen.
     
    Weder bei
Spiegel online
noch
Bild.de
gibt es etwas Neues zu erfahren.
    «Die erwarteten Unruhen in Kenia» – «Ausschreitungen nach Präsidentschaftswahlen» – «Nach Schließung der Wahllokale kam es zu Tumulten in Kenias Hauptstadt Nairobi, die in der Nacht auch auf die Städte Mombasa, Wajir und Kisumu übergegriffen haben.»
    Weiß ich alles.
    Weiter,
Süddeutsche
: «Opposition ruft Kenianer zum Massenprotest auf.»
    Welt kompakt:
«Hoffnung auf Demokratie geht in Flammen auf. Noch vor ein paar Jahren galt Kenia als Hoffnungsträger in Afrika. Nun, nach einer offenbar von der Regierung manipulierten Wahl, ist das Land in Aufruhr … So haben die Wahlbeobachter festgestellt, dass es in einzelnen Bezirken Wahlfälschungen zugunsten des amtierenden Präsidenten Mwai Kibaki
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