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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika
Autoren: Heinz Strunk
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doch immer alles ausgebucht. Wie man so hört. Oder hat C., in der festen Annahme, dass ich mitkomme, gar schon reserviert? Mir ist eigentlich eher nach Hierbleiben zumute. Mein Gemütszustand befindet sich seit geraumer Zeit im Sink-, um nicht zu sagen: Steilflug, ich weiß auch nicht genau warum. Ein seltsames Phänomen, dass ich nie genau sagen kann, warum ich mich wie fühle. Ob das anderen Leuten auch so geht? Egal. Ich habe das ungute Gefühl, dass sich daran bis zum Reiseantritt nicht mehr großartig etwas ändern wird. Sich als betongesichtiger Trauerkloß in einem fremden Kontinent einzuigeln und vierzehn Tage in Angst davor zu leben, dass man die Rückfahrt nicht übersteht oder man von einer Psychose erwischt wird, sind denkbar schlechte Voraussetzungen für eine Fernreise. Reisen sollten gut gelaunt und mit starken Nerven angetreten werden, damit sie einen nicht schon bei der Sicherheitskontrolle gleich wieder zurückschicken. Gerade in Zeiten seelischer Schieflagen bedeutet ja jede Veränderung auch eine Überforderung; schon ein Ausflug in den Vogelpark Walsrode oder ähnliche Schmalspurunternehmungen verlangen mir dann das Äußerste ab. Und wenn ich mich gar ohne die gewohnten Strukturen, ohne geordnetes Koordinatensystem in einem völlig fremden Land durchsetzen muss, laufe ich Gefahr, einzugehen wie eine Primel. Geht nicht nur mir so: Ich kann mich noch gut dran erinnern, wie meine unter Angststörungen leidende Nachbarin Kathrin totale Panik vor dem anstehenden
Erholungsurlaub
schob. Alleiniges Kriterium (
Alleinstellungsmerkmal
, wie die Idioten heute sagen) für die Wahl ihres Urlaubsortes war das Vorhandensein eines Krankenhauses mit psychiatrischer Abteilung in der Nähe.
     
    Naja, während den einen
Höchstschwierigkeitsreisen
(Apnoetaucher, die mit einem einzigen Atemzug ganze Ozeane durchqueren; Weltumrunder ohne einen Cent in der Tasche; Extremsportler, die in einer Saison sämtliche Achttausender erklimmen) leicht von der Hand gehen, sie dafür aber im Alltag oft scheitern, ist es bei mir genau umgekehrt. Daheim top, woanders Flop. Damit habe ich mich abgefunden, ich habe meine Defizite als zu mir gehörig begriffen und sie, wenn auch notgedrungen, akzeptiert. Wenn ich meine Restlebenszeit darauf verwenden würde, mir meine Neurosen abzutrainieren, bliebe kaum noch Zeit für andere
Sachen
. Beispiel Höhenangst. Anstatt eine mehrjährige Therapie anzutreten, meide ich Berge und hohe Gebäude, geht auch.
    Wenn ich mich recht erinnere, bin ich zu keinem Zeitpunkt meines Lebens irgendwie erholt aus einem Urlaub zurückgekehrt. Batterien/Akkus/irgendwelche Speicher aufladen – Fehlanzeige. Außerdem, und das ist das Entscheidende: Ich bin kein Stück neugierig. Leider. Überhaupt nicht. Peinlich. Ach, irgendwie auch nicht. Man kann in seinem Leben eh nur eine begrenzte Anzahl Eindrücke sammeln, also sollte man sich gleich auf die wichtigen Dinge konzentrieren und den großen faden Rest auslassen. Und weder die Zahl der Abenteuer noch die Geschwindigkeit, mit der das Leben abläuft, ändern etwas an der Tatsache, dass man sterben muss. Seltsam übrigens, dass ausgerechnet die fadesten Menschen am längsten leben wollen. Keiner der
wirklich
interessanten Menschen, denen ich begegnet bin, wünscht sich, mehr Zeit zu haben. Die vorhandene ist völlig ausreichend.
    In nicht allzu ferner Zukunft wird es sicher möglich sein, sich einen Chip transplantieren zu lassen, auf dem Erinnerungen und Erlebnisse gespeichert sind. Wie in dem Arnold-Schwarzenegger-Schocker
Total Recall
. Städte, Landschaften, Flüsse, Berge, Ozeane, all die Orte, an denen ich nie gewesen bin. Und ich bräuchte dort nicht mehr hin. Das größte Abenteuer des Lebens ist die Abwesenheit von Abenteuer.
     
    Naja, da ich heute überhaupt noch nicht draußen war, könnte ich einen Spaziergang unternehmen und mir dabei zur Abwechslung auch mal die
schönen
Seiten des Reisens vor Augen halten. Draußen ist es kalt, nass und ungemütlich, um die vier, fünf Grad. Seit Tagen schon fällt der Regen in dünnen Schnüren, Himmel und Erde haben sich zu einer einzigen Farblosigkeit aufgelöst. Alles andere als ideale Bedingungen für einen Spaziergang, aber was soll ich machen, das ist eben Deutschland. Dafür gibt es hier Jahreszeiten, auch nicht selbstverständlich.
    Latsch, latsch, latsch. Echt kalt.
Einen
Flash gibt es auf Reisen in den Süden sicher: der Moment, wenn man aus dem Flieger steigt und einem Sonne und Wärme
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