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Der Sarg: Psychothriller

Der Sarg: Psychothriller

Titel: Der Sarg: Psychothriller
Autoren: Arno Strobel
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1
    Eva erwachte in vollkommener Dunkelheit.
    Ihr träges Bewusstsein tastete sich vor, versuchte sich zu orientieren. Sie konnte nicht einordnen, was diese Schwärze zu bedeuten hatte. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie vielleicht die Augen noch gar nicht geöffnet hatte, und blinzelte zwei-, dreimal, doch die schwarze Wand blieb undurchdringbar.
    In ihrem Schlafzimmer gab es einige Stellen, an denen sich ihr Blick festhalten konnte, wenn sie nachts aufwachte. Das grün schimmernde Display des Radioweckers oder der schwache Lichtschimmer, der sich durch das Fenster drückte wie durch ein engmaschiges Sieb, um sich dann als leicht phosphoreszierender Staub auf die Konturen ihrer Kommode zu legen. Sie waren wichtig, diese Punkte. Sie waren beruhigend. Sie fehlten.
    Oder waren sie da, und sie konnte sie nicht sehen, weil etwas mit ihren Augen nicht stimmte? Ihr Atem beschleunigte sich, in kurzen, schnaufenden Zügen sog sie die Luft durch den geöffneten Mund ein. Stickige Luft. Warme, verbrauchte Luft.
    Mit einem Ruck wollte sie sich aufrichten, doch die Bewegung wurde jäh gestoppt, als ihre Stirn mit einem dumpfen Knall aufschlug und ihr Kopf ins Kissen zurückfiel. Benommen registrierte sie den Schmerz, doch nur für einen Augenblick, dann erfasste sie Panik und fegte alle anderen Empfindungen beiseite.
    Hektisch wollte sie die Arme anheben, zur Seite drücken – sie stieß gegen Wände. Sie versuchte die Knie anzuziehen, aber es gelang ihr nicht. Sie strampelte mit den Füßen, doch nach wenigen Zentimetern wurden die Bewegungen mit einem dumpfen Ton gestoppt. Sie war eingeschlossen. Immer schneller wand sich ihr Körper in dem engen Gefängnis, immer panischer wurde sie in dem Drang, sich bewegen, sich aus der schwarzen Enge befreien zu müssen. Sie begann zu schreien, zu weinen, sie trommelte mit den Fäusten gegen die Decke, immer und immer wieder … und lag schließlich still.
    Ihr Brustkorb hob und senkte sich im Sekundentakt, jedes Ausatmen wurde von einem wimmernden Geräusch begleitet. Sie hörte sich selbst zu, während ihr Verstand auf der Suche nach einer Erklärung in der Leere herumstocherte, die in ihrem Kopf herrschte. Minutenlang, bis sich schließlich eine Schleuse öffnete und ihr Bewusstsein mit einem ganzen Schwall Gedanken flutete. Sie musste es schaffen, diese Gedanken aufzugreifen, die Panik zu unterdrücken. Sie musste nachdenken. Gott, sie war eingeschlossen. Angst … Nachdenken … Jetzt.
    Um sie herum war nach allen Seiten nur wenige Zentimeter Platz. Die Luft roch verbraucht, schmeckte alt. Ihre Schläge gegen die Wände und die Decke ihres Gefängnisses waren durch etwas abgedämpft worden, ihr Kopf lag auf etwas Weichem, einem Kissen.
    Diese Schwärze machte sie wahnsinnig.
    Vorsichtig hob sie eine Hand, ließ die Fingerspitzen tastend über das Material der Wand gleiten, drückte dabei immer wieder ungewollt fest dagegen, weil ihr Körper ihr nicht gehorchen wollte, von zittrigen Schüben geschüttelt wurde. Das Material fühlte sich glatt an, wie Satin. Oder Seide. Auch die Decke über ihr war mit dem gleichen Material ausgekleidet. Wie … wie … Ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb, immer schneller. Sie hielt den Atem an. Wie in einem Sarg.
    Sie atmete nicht, dachte nicht, rührte sich nicht. Stille. Grabesstille.
    »Nein«, flüsterte sie. »O Gott, bitte nicht. Nicht das. Bitte.« Ein Sarg. Sie lag in einem Sarg.
    » NEIIIN !«, schrie sie, so laut sie konnte. Es tat ihr in den Ohren weh. Sie musste husten, ihr Körper krampfte sich derart zusammen, dass ihr Kopf wieder gegen den Deckel knallte. Sie wand sich, versuchte sich umzudrehen, noch immer hustend, schaffte es nicht. Sie verschluckte sich, drohte zu ersticken. Einem epileptischen Anfall gleich zuckten ihre Gliedmaßen unkontrolliert, knallten in einem unregelmäßigen Stakkato gegen die Wände und den Deckel. Sie verlor in ihrer panischen Raserei komplett die Orientierung, wand sich und schlug mit aller Kraft nach allen Seiten.
    Irgendwann hörte sie auf, sie hatte keine Kraft mehr. Im Bruchteil einer Sekunde erschlaffte sie, als hätte man einen Stecker gezogen, und lag mit verdrehten Gliedmaßen da, das Gesicht schräg nach unten. Sie atmete in das kalte, glatte Kissen, hörte dem Rauschen zu, mit dem das Blut durch ihre Adern schoss. Sie weinte.
    Wie war sie nur hierhin gekommen? Hatte man sie für tot gehalten? Warum? War sie scheintot gewesen? Wann? Sie hatte mal gelesen, dass es immer wieder
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