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Der Sarg: Psychothriller

Der Sarg: Psychothriller

Titel: Der Sarg: Psychothriller
Autoren: Arno Strobel
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Stellen an ihren Händen. Es gab dafür nur eine Erklärung: Sie war wieder geschlafwandelt und hatte sich dabei verletzt.
    Es passierte ihr relativ häufig, dass sie sich irgendwo wiederfand und nicht mehr wusste, wie sie dorthin gekommen war. Manchmal geschah das sogar am helllichten Tag. Dann war sie in einem Café oder in der Fußgängerzone, ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben, was sie dort wollte. Als Jugendliche hatte sie aus Scham mit niemandem darüber gesprochen. Später dann, als erwachsene Frau, hatte sie sich ihrem Hausarzt anvertraut, der ihr autogenes Training empfohlen hatte und, für den Fall, dass das nichts brachte, den Besuch bei einem Psychologen. Damals hatte sie beschlossen, das Ganze nicht wieder zu thematisieren. Ein Psychologe. Das kam auf keinen Fall in Frage.
    Sie wischte den Gedanken fort, darum ging es jetzt nicht. Wichtiger war die Frage, was mit ihr in der letzten Nacht geschehen war. Ihr wurde flau im Magen, sie stützte sich mit den Händen auf der Arbeitsplatte ab und senkte den Kopf. Sie dachte an Arme, Hände, Knie und Beine, die gegen Wände schlugen. Dünn gepolsterte Wände.
    Sie dachte an einen Sarg und musste sich übergeben.

2
    Hauptkommissar Bernd Menkhoff warf die Fotos mit einem Seufzer auf seinen Schreibtisch und ließ sich gegen die Rückenlehne seines Bürostuhls fallen. Auch die Routine von fast dreißig Dienstjahren konnte nicht verhindern, dass er noch immer unter dem Einfluss dessen stand, was er wenige Stunden zuvor am Fundort der Frauenleiche gesehen hatte.
    Der Körper der Frau hatte in gekrümmter Haltung in dem Sarg gelegen, einer aus ungehobelten Brettern gezimmerten, stabilen Holzkiste. Die Leiche war nackt, ihr Körper übersät mit Verletzungen, aus denen besonders an Ellbogen, Knien und Handgelenken kleine und größere Holzsplitter herausstanden.
    Über Augen und Mund klebte jeweils ein breiter grauer Streifen Klebeband. Ihre Handgelenke waren mit einem Seil gefesselt, dessen langes Ende der Täter mit einer dicken Schraube, die durch das Holz gebohrt und auf der anderen Seite mit einer Mutter gesichert war, am Fußteil der Kiste festgemacht hatte. Das Seil ließ den Händen des Opfers gerade so viel Spielraum, dass die Frau den Deckel und die Seitenwände, nicht aber ihren Kopf berühren konnte.
    Das raue Holz der Sargwände und des Deckels war mit dunklen Flecken durchsetzt, bei denen es sich wahrscheinlich um getrocknetes Blut handelte. An manchen Fingern fehlten die Fingerkuppen, an ihrer Stelle ragten die gelblichen Spitzen der Knochen aus den schwarzgeränderten Enden der Stümpfe hervor. An anderen standen die abgebrochenen Reste der Fingernägel schräg heraus. Die Frau hatte in dem verzweifelten Versuch, sich aus ihrem engen Gefängnis zu befreien, das Fleisch ihrer Fingerkuppen am Sargdeckel abgeschabt.
    Menkhoff wurde vom Läuten des Telefons aus seinen Gedanken gerissen und griff nach dem Hörer. »Ja, Bernd, ich bin’s.« Die Stimme von Gerd Brosius, Erster Kriminalhauptkommissar und Leiter des KK 11 . »Komm bitte mal rüber.«
    Als Menkhoff das Büro seines Chefs betrat, zeigte der auf den Stuhl schräg vor seinem Schreibtisch und wartete, bis Menkhoff saß. »Ich habe ja schon einiges gesehen, was irgendwelche durchgedrehten Psychopathen angestellt haben, aber das da …« Er deutete mit der Kinnspitze auf die Tatortfotos, die in einem Stapel vor ihm auf dem Tisch lagen, und schüttelte den Kopf. »Lebendig begraben. Es ist immer wieder unfassbar, wozu Menschen fähig sind. Die Presse wird sich auf diese Sache stürzen wie die Aasgeier.«
    Menkhoff nickte. »Ja, ich weiß. Du kannst froh sein, dass du heute Morgen nicht da draußen warst, ich hätte auf den Anblick verzichten können.« Er beugte sich vor, ergriff das oberste Foto und betrachtete es. Dabei kam ihm kurz der Gedanke, dass er damit seinen letzten Satz quasi ad absurdum führte.
    Es war eine Ganzkörperaufnahme der Frau, wie sie gefesselt in der Kiste lag. Gestochen scharf waren darauf ihre Verletzungen zu erkennen.
    Menkhoff dachte daran, was die Frau durchgemacht haben musste, als sie bei vollem Bewusstsein in der geschlossenen Kiste gelegen und gehört hatte, wie Schaufel um Schaufel die Erde auf den Deckel geworfen wurde. Und erst die Obduktion würde zeigen, ob das alles war, was sie hatte durchleiden müssen, bevor sie erstickt war. Er legte das Foto zurück und suchte sich ein anderes aus dem Stapel. Es zeigte nicht die Frau, sondern den Zettel mit den
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