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Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Autoren: Robert Jordan
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PROLOG

    Ausblicke auf das Muster
    R odel Ituralde hasste das Warten, obwohl er genau wusste, dass der größte Teil des Soldatendaseins aus nichts anderem bestand. Das Warten auf die nächste Schlacht, das Warten, dass der Feind sich bewegt, dass er einen Fehler macht. Er betrachtete den winterlichen Wald und war so reglos wie die Bäume. Die Sonne hatte die Hälfte ihres Weges zum Zenit erklommen und verbreitete keine Wärme. Sein Atem verwandelte sich vor seinem Gesicht in weißen Nebel und blieb als Reif an dem sauber gestutzten Schnurrbart und dem schwarzen Fuchspelz, mit dem seine Kapuze gefüttert war, haften. Er war froh, dass sein Helm am Sattelknauf hing. Sein Brustpanzer hielt die Kälte fest und schickte sie durch sein Wams und sämtliche darunterliegenden Schichten aus Wolle, Seide und Leinen. Sogar Pfeils Sattel war kalt, so als wäre der weiße Wallach aus gefrorener Milch. Der Helm hätte seinen Verstand getrübt.
    Der Winter hatte spät in Arad Doman Einzug gehalten, sehr spät sogar, aber dafür hatte er mit aller Macht zugeschlagen. In weniger als einem Monat von der Sommerhitze, die sich auf unnatürliche Weise bis spät in den Herbst gehalten hatte, zum Herzen des Winters. Die Blätter, die die sommerliche Dürre überstanden hatten, waren gefroren, bevor sie die Farben hatten wechseln können, und jetzt funkelten sie in der Morgensonne wie seltsame, eisbedeckte Edelsteine. Die Pferde der zwanzig Soldaten in seiner Nähe stampften in dem knietiefen Schnee gelegentlich mit den Hufen. Es war ein langer Ritt gewesen, und sie mussten noch weiter, ganz egal, ob es ein guter oder schlechter Tag werden würde. Dunkle Wolken trieben am Himmel nach Norden. Er brauchte seinen Wetterdeuter nicht, um zu wissen, dass es noch vor Einbruch der Dunkelheit zu einem Temperatursturz kommen würde. Bis dahin mussten sie einen Unterschlupf gefunden haben.
    »Nicht so schlimm wie der vorletzte Winter, nicht wahr, mein Lord?«, sagte Jaalam besonnen. Der hochgewachsene junge Offizier hatte so eine Art, Ituraldes Gedanken zu lesen, und seine Stimme war laut genug, dass die anderen ihn hören konnten. »Trotzdem würden einige Männer bereits von heißem Wein träumen. Natürlich nicht dieser Haufen. Erstaunlich genügsam. Ich glaube, sie alle trinken Tee. Kalten Tee. Wenn sie ein paar Weidenruten hätten, würden sie sich ausziehen, um ein Bad im Schnee zu nehmen.«
    »Im Moment müssen sie die Kleidung anbehalten«, erwiderte Ituralde trocken, »aber mit etwas Glück bekommen sie heute Abend kalten Tee.« Das rief Kichern hervor. Leises Kichern. Er hatte diese Männer mit großer Sorgfalt ausgesucht, und sie wussten über Lärm zum falschen Zeitpunkt Bescheid.
    Er selbst hätte nichts gegen einen dampfenden Becher voller heißem Wein oder sogar auch Tee einzuwenden gehabt. Aber es war lange her, dass Kaufleute Teeblätter nach Arad Doman gebracht hatten. Es war lange her, dass ausländische Kaufleute weiter als bis zur Grenze nach Saldaea gekommen waren. Bis ihn Neuigkeiten aus der weiten Welt erreichten, waren sie so alt wie Brot vom Vormonat, falls sie überhaupt mehr als Gerüchte darstellten. Aber das spielte keine große Rolle. Falls die Weiße Burg tatsächlich gespalten war oder Männer, die über die Eine Macht geboten, wirklich nach Caemlyn gerufen wurden … nun, bis in Arad Doman wieder Frieden herrschte, würde die Welt ohne Rodel Ituralde auskommen müssen. Im Augenblick war Arad Doman mehr als genug, als ein geistig gesunder Mann bewältigen konnte.
    Er überdachte erneut die Befehle, die er mit den schnellsten Reitern, die ihm zur Verfügung standen, an jeden Adligen gesandt hatte, der loyal zum König stand. So zerstritten sie durch Missgunst und alte Fehden auch waren, zumindest das hatten sie noch gemeinsam. Wenn der Befehl vom Wolf kam, würden sie ihre Heere sammeln und losreiten; zumindest so lange, wie er in der Gunst des Königs stand. Oh, sie würden toben, und einige würden seinen Namen verfluchen, aber sie würden gehorchen. Sie wussten, dass der Wolf Schlachten gewann. Mehr noch, sie wussten, dass er Kriege gewann. Wenn sie ihn außer Hörweite wähnten, nannten sie ihn den Kleinen Wolf, aber es störte ihn nicht, wenn sie auf seine Körpergröße anspielten – jedenfalls nicht sehr –, solange sie ritten, wenn er es befahl.
    Sehr bald würden sie hart reiten, um eine Falle zu stellen, die erst in Monaten zuschnappen würde. Er ging ein großes Risiko ein. Komplizierte Pläne konnten auf
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