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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika
Autoren: Heinz Strunk
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mir auffällt, dass ich versehentlich die Ausgabe der Vorwoche erwischt habe. Ich steige aus der Wanne und begebe mich klatschnass auf die Suche nach der aktuellen Ausgabe. Mir ist kalt. Davon werde ich wach. Meine Güte! Wer nachts solche Träume hat, braucht gar keinen langweiligen Alltag mehr. Und nun? Aufstehen, Kaffee. Ich hab keinen Bock, aus dem Haus zu gehen, überhaupt keinen. Einkaufen, grässlich. Grässlich! Auf der Suche nach Nahrung werde ich schließlich in irgendeinem entlegenen Fach meiner Küchenzeile fündig: ein eingeschweißtes Paket Pumpernickel. Wann hab ich das denn gekauft? Egal. Haltbar bis 1/98. Gerade eben noch so. Warum nicht mal Pumpernickel zum Frühstück? Ist bestimmt gesund und hat nicht so viele Kalorien. Ich muss abnehmen, und wenn es klappt mit der Reise, sowieso. Schmeckt gar nicht so schlecht, mit Frischkäse und Zwergtomaten, zufällig hab ich auch noch etwas Schnittlauch im Haus. Salz, Pfeffer. Köstlich, wirklich köstlich.
    Wieso zieht es C. nur nach Kenia? Ich könnte Gegenvorschläge unterbreiten, Australien zum Beispiel. Bestimmt ganz schön, aber viel zu weit weg. Amerika interessiert mich aus alten, verschorften, politischen Antigründen kein Stück, selbst Las Vegas nicht, obwohl ich passionierter Spieler bin. In Frage kommen sowieso nur Asien, Afrika und die Karibik, weil: Warm soll es sein. Was noch? Ich horche in mich hinein und bilde spontane Assoziationsketten.
    Asien:
endlose, schlohweiße, menschenleere Strände, kristallklares, grünblaues Wasser. Gesundes, schmackhaftes, kalorienarmes Essen. Hütten, Bambus, Gewürze. Fingerfood, Perlen, Fische, gute, klare Luft.
    Karibik:
Wellblechhütten, Mopeds, Palmen, Schiffe. Eintöniger Singsang, träg-sinnlose Grundstimmung, Casinos, Golfanlagen. Marode Flughäfen, kenternde Boote, Korruption, Papa Doc.
    Afrika:
drückend, brodelnd, eng, schwül. Wildtiere, Dschungel, Orakel, Ritualmorde. Opferblut/-tod/-gabe/-tier, Altäre. Hottentotten, Schamanen. Zulukaffer, Voodoo, schwarzes Wasser, Fehden. Feuer, Seuchen. Krieg. Von herannahenden Herden zitternder Boden.
     
    Eigentlich spricht nichts für Afrika, wenig für die Karibik und alles für Asien. Naja, naja, Assoziationen können auch Quatsch sein. Das meiste ist eh Quatsch.
     
    Warum lasse ich mich eigentlich nicht in einem Reisebüro professionell beraten? Die sind schließlich für Typen wie mich da. In meiner Straße gibt es zwei, sie heißen
Kolibri
und
Panorama
. Ich wohne schon sehr lange hier, und im Vorübergehen bot sich mir das immer gleiche Bild: Das
Panorama
hält dem Kundenansturm kaum stand, während im
Kolibri
ein südländisch aussehender Mann entweder traurig aus dem Fenster oder noch trauriger auf seinen Computermonitor starrt. Telefonieren habe ich ihn auch noch nie sehen. Vielleicht ist das
Kolibri
auch eine Geldwaschanlage, was weiß ich. Trotzdem gebe ich ihm jetzt den Vorzug, einerseits aus Solidarität, bei mir lief es schließlich auch nicht immer wie geschnitten Brot, andererseits aber auch der Hoffnung auf fehlende Wartezeiten wegen. Mein Anliegen ist schließlich denkbar einfach: Ich will keine komplizierte Rundreise mit Kreuzfahrt, Inselhopping oder Safari inklusive Großwildjagd buchen, sondern eine Pauschalreise ohne alles.
    Also Jacke an und hin. Im Chefsessel des
Kolibri
hockt jedoch nicht der melancholische Inhaber, sondern eine verquollene Frau, die gerade damit beschäftigt ist, das Silberpapier von einem Karton mit chinesischem Essen abzupulen. Sie trägt ein grau-braun-dunkelgrünes Sweatshirt und schwarze Leggins. Alles, was sie ausstrahlt: Vorfreude aufs Essen. Ungelegener als ich kann ein Mensch nicht kommen. Das Happa sieht schrecklich aus und riecht auch so, es wird Tage dauern, bis sich der Gestank verzogen hat. Nicht mein Problem. Ich setze mich unaufgefordert hin und warte, dass sie sich nach meinen Wünschen erkundigt. Sie starrt abwechselnd mich und den Karton an und hat dabei nur einen einzigen Gedanken: MEIN GOTT , JETZT WIRD DAS ESSEN KALT ! Ich könnte «Guten Appetit» oder so was sagen, aber ich will ja nicht, dass es ihr schmeckt, sondern dass sie mir eine Reise bucht. Mein Leben lang habe ich Rücksicht genommen, irgendwann ist auch mal Schluss. Ich werde ihr ein paar Fragen stellen und mich nach diversen, mit einer Reise zusammenhängenden Versicherungen erkundigen. Bis alle Fragen beantwortet sind, ist das Essen eiskalt. Ich weiß es, und sie weiß es auch.
    «Hallo. Guten Tag und guten Hunger», beginne ich
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