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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika
Autoren: Heinz Strunk
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ich in diesem Zimmer verbringe, macht mich kraftloser. Jede Minute, die Charlie im Busch kauert, macht ihn stärker.»
    Tag und Nacht zerdehnt sich im immer gleichen Dämmer, im Hintergrund Doors-Klassiker
The End
, Selbstauflösung, Verlust des Ich, immer weiter treibe ich in die Finsternis, der Quelle des Wahnsinns entgegen.
    Sechs Uhr. Langsam wird’s eng, spätestens morgen früh um neun müssen wir am Flughafen sein. Was tun?
    In Begleitung eines Hotelangestellten das nächstgelegene Polizeirevier aufsuchen.
    Allerspätestens um zweiundzwanzig Uhr Ortszeit seine Angehörigen verständigen.
    Die Fluggesellschaft informieren und bitten, uns auf einen späteren Flug umzubuchen.
    Botschaft erreichen.
    Aber vorher muss ich schnell was essen, ich hab schließlich seit vierundzwanzig Stunden nichts mehr zu mir genommen. Wenn ich vor Entkräftung ohnmächtig werde, ist niemandem gedient, am allerwenigsten C., das wird jeder vernünftige Mensch einsehen. Trennkost ade, hochkalorische Nahrung mit hoher Energiedichte muss her: Spanferkel, weiße Bohnen in Tomatensoße, Pommes, ein Keil Lasagne, Salatnest. Ohne zu kauen, runterschlucken, damit mir niemand vorwerfen kann, ich hätte das Essen
genossen
, während mein Freund in Lebensgefahr schwebt. Mampf, klecker, schling.
     
    «Lass es dir recht gut schmecken, Bursche.»
    O Gott, das gibt’s doch nicht, juhu, jippiee, schrecklich, furchtbar, peinlich. Ich drehe mich um, C. schüttelt fassungslos den Kopf. Bis auf den fehlenden Schuh sieht er irgendwie ganz
normal
aus. Ich schlucke runter. Noch schlimmer, als beim Wichsen erwischt zu werden.
    «Ich gehe jetzt aufs Zimmer. In fünfzehn Minuten darf ich dich am Kaffeerund begrüßen. Ach ja, ich möchte dich bitten, mir etwas Rasiercreme zu leihen, mein Bart juckt. Und besorg etwas zu trinken, am besten Wein.»
    Was soll ich sagen?
    «Ja, natürlich, alles, was du willst. Wie geht’s dir denn?»
    «Erzähl ich dir gleich.»
    Und schlurft weg. Ich habe mal gehört, dass der Eindruck, den man von Geretteten gewinnt, allgemein ein enttäuschender ist. Als ich mit einer Flasche Rotem und einer Flasche Weißem am Kaffeerund aufschlage, wartet er bereits.
    «Hast du daheim jemanden erreicht?»
    «Nein, ich wollte noch damit warten, damit die sich nicht unnötig Sorgen machen.»
    «Aha. Dein Freund ist gerade dem Tod von der Schippe gesprungen, und du schiebst Dienst nach Vorschrift. Darf ich fragen, ob du hinsichtlich meiner Rettung überhaupt etwas unternommen hast?»
    «Jetzt reicht’s aber. Ich habe mich zu Tode geängstigt. Bei mir war’s übrigens auch ziemlich knapp.»
    Mir schießen die Tränen in die Augen. Ich kann nicht mehr. Schweigen. Schließlich nimmt C. meine Hand und drückt unbeholfen auf ihr herum.
    «Ist ja gut, Bursche, beruhig dich. Vorschlag: Ich erzähl dir alles im Schnelldurchlauf, und dann esse ich, in einer halben Stunde schließt das Restaurant.»
     
    … jedenfalls sei er bei Einbruch der Dämmerung in der Nähe des Hafens freigelassen worden. Es müsse sich also um eine Verwechslung gehandelt haben, oder er sei, wahrscheinlicher, ein Zufallsopfer, mit dem sie nichts hätten anfangen können, oder, dritte Möglichkeit, die Entführung sei
einer Sektlaune entsprungen
, bzw. sie hätten es sich aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen anders überlegt. Eine andere Erklärung falle ihm nicht ein, und er werde es auch eh nie herausbekommen, denn die Angelegenheit zur Anzeige zu bringen, halte er für vollkommen sinnlos, abgesehen davon, dass keine Zeit mehr bleibe. Wie dem auch sei, mehr gebe es eigentlich nicht zu sagen.
     
    Kehraus-Stimmung im Restaurant, nur noch wenige Gäste löffeln ihren Nachtisch, das Buffet wird bereits abgeräumt. C.s Kopf versinkt zwischen den Schultern. Insichhineinschaufeln im Akkordtempo, eins, zwo drei, eins zwo, eins, zwo drei, vier. Ich forsche in seinem Gesicht nach Spuren des Erlittenen. Nix. Abgenommen hat er in Gefangenschaft auch nicht. Er geht Nachtisch holen. Und ich fasse einen Entschluss: rauchen. Wieder rauchen. Endlich wieder rauchen. «Nach glücklich überstandener Geiselnahme wieder zur Zigarette gegriffen.» Wenn ich diese Großchance nicht nutze – selber schuld. Ich zieh das jetzt durch! Und wenn es ein Jahr dauert, bis ich über den Berg bin. Herrlich. Wenn es eine perfekte Rechtfertigung gibt, dann doch wohl eine glücklich überstandene Entführung. Ich bestelle eine Packung
Sportsman
und eine Flasche Henkell Trocken (38 000
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