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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika
Autoren: Heinz Strunk
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Schilling).
    Endlich Raucher!
    C. kommt zurück. Eis. Crème brulée. Früchte.
    Plötzlich merke ich, wie fertig ich bin. Totale Erschöpfung. Durch. Am Ende. Das ist sie nun, die Summe meiner selbst. Meine Knie zittern, ich fühle mich ganz seltsam. Irgendwie durchlässig. Als würden meine Membranen von etwas anderem durchdrungen. Und dann noch die Musik, die ganz anders ist als sonst.
     
    «Hörst du das?»
    Mir schießen schon wieder die Tränen in die Augen.
    «Was ist los mit dir, Bursche?»
    «Die Musik, hör doch mal.»
    «Ja, stimmt, die ist wirklich schön.»
    Es ist nicht das übliche Geplärre aus der Konserve, sondern Livemusik, Gospelgesang, hell, fröhlich und gläsern. Als würden die, die singen, daran
glauben
. Irgendetwas Besonderes geht da vor. Etwas besonders Schönes. Mich überkommt eine unbestimmte Erregung.
    … lalala Afrika
. Jede Strophe endet auf irgendwas mit …
Afrika
.
    … lalala Afrika. Ich stelle mir vor, dass es unser geliebtes Afrika heißt oder unser heiliges Afrika oder so.
    Meine Kehle ist wie zugeschnürt.
    «Ich muss wissen, was das ist. Ich geh mal nachschauen.»
    «Tu das, Bursche.»
     
    … lalala Afrika.
    Der Gesang wird lauter. Und lauter. Und immer lauter. Zwischen zwei Säulen versteckt, fast am anderen Ende, hat sich ein gemischter Chor im Halbkreis aufgestellt, in ihrer Mitte ein kleiner, pummeliger Mann, der Dirigent, Chorleiter. Sie tragen komische Folklorekleidung und Mützchen, die aussehen wie Matrosenkäppis. Das Restaurant ist praktisch leer, ihr Ständchen findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
     
    … lalala Afrika.
    Sind das Hotelangestellte? Ist gar Boneman unter ihnen? Oder kommt der Chor aus Mombasa und wurde extra für heute Abend engagiert? Aber wieso heute und nicht an den Weihnachtstagen? Und warum hier, wo sie keiner beachtet, und nicht als Teil der regulären Abendunterhaltung auf der Open-Air-Bühne? Man weiß es alles nicht.
     
    … lalala Afrika.
    Die leuchtenden Pastelltöne des letzten Lichts über mir. Es ist, als gleite etwas in meinem Inneren zur Seite, als zerreiße ein Vorhang in meinem Gehirn. Als kehrten aus allen Himmelsrichtungen die Schnipsel und Fetzen zurück und legten sich wieder zusammen zu der einen Schönheit und machten sie für diesen Augenblick wieder ganz. Die glitzernden Töne gelangen bis ans Herz, regnen in winzigen Sicheln auf mich herunter. Etwas zuckt über den Himmel, etwas strömt aus dem Boden.
     
    … lalala Afrika.
    Meine Beine geben nach. Als ob alle Luft vom Himmel verschwunden sei und sich das andere, sonst Verborgene, offenbare. Alles Übel rinnt aus den Füßen, aller Schmerz verwandelt sich in etwas Schönes, alle falschen Bilder werden ausgelöscht. Ein Moment seltener Klarheit, wie man ihn in seinem Leben vielleicht ein-, zweimal erlebt. Aus einer einzigen Wolke hoch über mir platzt es heraus.
     
    … lalala Afrika.
    Ein Licht, dessen Quelle weit weg ist. In der Höhe, über den Bergen schwebend, saust das ferne Summen, das niemals schweigt … Wie bei einem Stern … Wunder und Erlösung … Größe und Schönheit … ein aufflammendes Vorbei … Die zertrümmerten Gliedmaßen geheilt, die Tränen getrocknet, das Herz in lichte Zonen emporgeschleudert.
     
    … lalala Afrika.
    Sie wiegen sich im Takt, ihren Gesichtern entströmt etwas Klares und Helles. Die hellsten je aus dem Dunkeln niedergestiegenen Wesen, Engel, auf den Kern des Guten geschrumpft. Für einen Augenblick fangen sie die Welt auf und halten sie an, als wäre etwas Plötzliches und Vollkommenes in einem heftigen Glühen für mich zur Erde gefallen, für mich allein, und nur ich kann zusehen und zuhören. Und nur ich werde da sein, wenn sie verstummen. Unwahrscheinlicher als dies ist nichts.
     
    Eine wirklich ungeheure, nie vernommene Stille. Die Dinge verlieren ihren Namen und verschmelzen in ein einziges ununterscheidbares Sein. Der wahre Kern liegt tief unter der Oberfläche verborgen, in Regionen, in die kein Wissen hinabreicht.
     
    «Zigaretten und Sekt hab ich schon bezahlt, Bursche. Rauchst du etwa wieder?»
    «Ja, hab eh viel zu lange Pause gemacht. Hoffentlich komm ich wieder rein.»
    «Komm, wir gehen zum Rund.»
    Schweigend leeren wir eine Flasche. Und noch eine.
    «Darf ich dich nach deiner Bilanz befragen?»
    «Ich bin überhaupt nicht erholt.»
    Pause.
    «Aber mit dir war’s schön. Ich möchte mich offiziell bei dir bedanken.»
    «Wir sollten die Planungen für unsere Alters- WG nicht aus dem
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