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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika
Autoren: Heinz Strunk
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Hamdi beschwichtigend.
     
    Plötzlich versetzt mir jemand von hinten einen fürchterlichen Stoß. Ich stürze zu Boden und schleife mit dem Gesicht auf etwas Hartem. Die Mädchen schreien. Als ich mich auf den Rücken drehe, spüre ich einen fürchterlichen Druck auf meinem Brustkorb. Ein großer, fetter Mann fixiert mich mit seinem Fuß. Er hebt drohend den Zeigefinger: «Don’t move!» Für einen kurzen Moment treffen sich unsere Blicke, in seinen Augen liegt ein unergründliches, furchtbares Glitzern. Kommt mir jedenfalls so vor. Er tritt mir in den Bauch. «Don’t move!», wiederholt er seinen Befehl. Ich nicke. Eine nie für möglich gehaltene Besudelung und Erniedrigung. Ich schließe die Augen. Endlich lockert sich der Druck, der Mann verschwindet. Ich halte die Augen weiter geschlossen.
    «Are you okay? We have to go.» Hamdi! Von C. und Doreen keine Spur.
    «Where is my friend?»
    «We have to go.»
    Ich will noch etwas sagen, doch die Worte bleiben mir wie unzerkaubare Fleischbrocken im Mund. Ich trotte hinter ihr her, bis sie vor einem Hauseingang stehen bleibt.
     
    Drinnen riecht es nach Essen und den Ausdünstungen von Menschen. Ich höre leises, regelmäßiges Atmen und Schnarchen. Hamdi tastet sich auf Zehenspitzen vorwärts, ich hinterher, bis wir an eine steile, schmale Treppe gelangen. Sie deutet nach oben. Die Stufen knarzen und knacken und sind glitschig. Als wir oben angekommen sind, nimmt Hamdi meine Hand und führt mich zu einem Bett. Ich setze mich, sie geht die Treppe wieder hinunter. Vorsichtig ziehe ich Hose, Oberhemd und Strümpfe aus und lege mich hin. Ich ertaste etwas, das sich wie eine Decke anfühlt, und ziehe sie über mich. Meine Zunge puckert wie verrückt. Ich spüre eine aus dem ganzen Körper aufsteigende flammende Hitze, alles Blut sammelt sich im Kopf, ich höre es rauschen. Wo ist Hamdi? Das kann sie doch nicht machen, mich im Niemandsland abliefern und dann einfach verschwinden. Und wo ist C.? Und wieso ist Doreen weggerannt, Hamdi aber nicht? Alles scheint vollkommen zufällig und grundlos geschehen zu sein. Mombasa hat sich in einen Ort des reinen Schreckens verwandelt. Finsternis brütet um mich, unergründliche schwarze Finsternis.

Endlich Raucher
    Ich traue mich nicht, die Augen zu öffnen. Es ist sehr heiß und sehr still, mein Kopf ist wie verleimt, die Schläfen rauschen. Ich liege und lausche, und es rauscht, und ich lausche, und es rauscht, und meine Blase schmerzt. Eine Flut von Bildern schießt mir durch den Kopf, wirr und zufällig. So ist es, wenn das Leben auseinanderfällt, denke ich.
    Etwas Nasses, Raues fährt über meine Hand. Ich fahre hoch. Ein uralter, ausgezehrter Straßenköter, ein räudiges, klapperdürres Vieh. Er schaut mich mit heraushängender Zunge an, sein Blick hat eine entsetzliche Intensität. Ich ziehe meine Hand zurück, der Hund verschwindet mit einem heiseren Kläffen. Das Zimmer ist bis auf das Bett völlig leer. Ich schaue aus dem Fenster. Vor einem Minimarkt sitzen Männer und rauchen. Frauen mit Eimern gehen vorbei, Wasser schwappt heraus. Als wäre nichts geschehen, als wären die Ereignisse der Nacht nur eine flüchtige Eruption gewesen. Tagsüber herrscht Waffenruhe, erst bei Einbruch der Dunkelheit geht es wieder los. Vielleicht. Klamotten an und Abmarsch. Ich rutsche aus und schlittere die letzten Stufen der Treppe hinunter. Im Erdgeschoss herrscht unglaubliches Chaos, eine verrottete Küchenzeile mit halb aus der Wand herausgerissenen Schränken. Spackige Matratzen, vergammelter Springbrunnen, Kindertopf voll abgestandener Pisse, überall auf dem Boden verstreut schmutzige Kleidung, vergammelte Kondome, verdrecktes Zeitungspapier, eine leere Mausefalle.
    «Hello?»
    Niemand da. Bloß raus hier.
     
    Ich stolpere fast über eine halbtote Katze, die über die Straße kriecht. Ihre Flanke ist aufgerissen, das Fell von rotschwarzem Blut verkrustet. Orientierungslos irre ich durch enge staubige Straßen, einem Flickwerk von Schuppen, Häusern, Baracken. Der Blasendruck wird unerträglich. Dann, endlich, die
Haile Selassie Road
. Irgendwo muss es doch eine Ecke geben, wo ich hinpissen kann. Gibt es aber nicht. Ich gebe auf. Warm läuft es mir an den Beinen herunter. Im Staub bildet sich eine Lache, die Pisse läuft mir als Rinnsal entgegen. Bald wird es stinken und brennen und hässliche Flecken geben, aber bis dahin bin ich längst im Hotel.
    Ein Tuc-Tuc, endlich.
    «Nyali Beach, please.»
     
    7 Uhr 15. Was, wenn C.
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