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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot
Autoren: Mariola Brillowska
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Urteil. Mein Widerspruch im Prozess gegen den Polizisten, den ich damals nach dem Geburtstag von Gustav angeblich gebissen hatte, wurde abgelehnt. Ich sollte schön die zwei Tage Arbeitsausfall des Bullen, dazu ein Bußgeld und auch die Prozesskosten zahlen. Da waren noch Schreiben von den Elektrizitätswerken und auch von den Gaswerken sowie ein Brief von den Wasserwerken. Ich öffnete den Wasserhahn. Ich wollte nachsehen, ob da Wasser rauskam. Ja, es kam noch raus, aber nur kaltes. Jetzt wusste ich. Ich musste in letzter Zeit immer deswegen kalt duschen, weil das Gas abgestellt worden war. So muss sich also James am Ende in unserem damaligen Atelierhaus gefühlt haben. Langsam klärte sich alles in meinem Kopf. Seit über einem halben Jahr trug ich immer diese Einnahmen aus der Abendkasse in den Taschen, und davon kaufte ich dann alles ein. Da brauchte ich nicht mehr zur Bank zu gehen.
    Mein Unterleib begann zu schmerzen. Ganz doll, doller, doller, aua! Ich legte mich auf den Boden und krümmte mich. Ich schrie. Gina stürzte aus ihrem Zimmer. Sie wählte die 110 oder 112 oder vielleicht 111 , aber sie kam nicht weiter.
    - Lola, das Telefon geht nicht. Hast du die Telefonrechnung nicht bezahlt?
    - Oh Mann, Gina, die Situation ist viel komplexer. Versuch’s damit.
    Ich gab ihr mein Handy, dessen Prepaidkarte ich gerade frisch gefüttert hatte. Ein paar Minuten später ballerte es an der Tür. Gina machte auf. Ich sah vier riesige Fleischberge in die Wohnung reinkommen. Sie hatten diese neongrünen Westen an. Der größte von ihnen brüllte mich an: Haben Sie Schmerzen? Haben Sie Alkohol getrunken? Haben Sie Drogen genommen? Können Sie mich hören? Sie sind noch da? Wer sind Sie? Ich jammerte und stöhnte vor mich hin, schon packten mich die Berserker auf eine Bahre. Sie trugen mich die Treppe runter. Ich fühlte, wie ich zwischen den Beinen nass wurde. Ich steckte mir den Ringfinger in die Unterhose. Ich holte ihn blutig raus. Ich wusste. Entweder bekam ich endlich meine Tage oder ich hatte eine Fehlgeburt. Im Gegensatz zu früher konnte ich Krankenhäuser auf den Tod nicht mehr ab. Dennoch entschied ich mich, mit diesen Matrosen zu fahren. Ich wollte mich vielleicht zum letzten Mal professionell untersuchen lassen, solange ich noch krankenversichert war. Ich saß in dem Rettungswagen und dachte darüber nach, dass ich als Kind Krankenhäuser für Oasen gehalten hatte. Diese ekelhafte Stimmung, die mein Vater ständig verbreitete, nahm mich damals ganz schön mit. Oft ging ich nach draußen auf die Straße und stellte mich barfuß in die Kälte. Ich wartete ab. Besonders gut fand ich, wenn es Pfützen oder Schnee gab. Ich stampfte mit den Füßen darin herum. Ich knöpfte meine Strickjacke oder meinen Mantel auf und atmete mit weit geöffnetem Mund eisige Luft tief ein. Zehn Minuten reichten. Nach ein paar Stunden hatte ich Fieber. Am Abend fuhr mich meine Mutter ins Krankenhaus. Ich hoffte sehr, dass man mich dort behalten würde. Ich war glücklich, wenn das klappte. Dann durfte ich als Erstes ein heißes Bad nehmen und mich anschließend in ein frisch bezogenes weißes Bett legen. Für mich war das ein totaler Luxus. Am liebsten hätte ich im Krankenhaus meine ganze Kindheit verbracht.
    Meine Bauchschmerzen ließen nach. Der Rettungswagen hielt an. Ich stieg aus und schaute mir schon mal die Fluchtwege an. Lange wollte ich hier nicht bleiben. Weil das Personal dort einen behandelte, als wäre man ein Idiot. Weil man sich als junger Mensch mit sehr alten, beinahe sterbenden Leuten das Zimmer teilen musste. Weil Humor im Krankenhaus verpönt war. Weil alles dort so unsexy sein musste. Wie sollte man da gesund werden?
    - Name, Adresse, Geburtsdatum.
    Wie das schon anfing. Ich bedauerte, dass ich mich hierhin hatte mitnehmen lassen. Ich ahnte, wie das weitergehen würde. Auf dieser Notaufnahme arbeiteten bestimmt nur Aushilfsmediziner, die unter Drogeneinfluss standen und sowieso keine Ahnung hatten. Auf Experimente mit meinem Körper hatte ich keinen Bock.
    - Ich muss zuerst auf die Toilette.
    Die Notaufnahmetante glotzte dumm aus der Wäsche. Lautlos und sanft sprach ich auf sie mit meinen Augen ein: Alte, was willst du, ich muss erst mal persönlich die Lage checken. Ich untersuche mich selber dort hinten auf dem Klo, dann kann ich einem von deinen Doktor Meds auch auf die Sprünge helfen. Ich muss doch gucken. Blute ich oder blute ich nicht. Wie blute ich. Bluten oder nicht bluten, das ist hier die
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