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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot
Autoren: Mariola Brillowska
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dass das seine Bekannten waren. Wollersheim kämmte sich ständig das Haar, ohne sich deswegen zu genieren. Zu mir machte er so eine Geste, die wohl hieß, alles klar, er sei mit dem Ergebnis einverstanden. Ich sang meinen Schlüpfersong und musste dabei derartig lachen, dass das Publikum auch lachte, obwohl es nicht wusste, warum. Ich lachte, weil die ganze Chose zu absurd war. Ich machte hier experimentelle Kunst, und die Leute dachten, sie würden für wenig Geld eine große Show mit lauter Prominenten sehen. Vielleicht war es aber auch umgekehrt. Ich schmiss eine billige Show und bildete mir ein, dass das experimentelle Kunst sei. Jedenfalls war ich froh, als das ganze Theater vorbei war. Es hatte eh niemand verstanden, was ich da eigentlich wollte, mit den hängenden Fleischkoteletts in den Synchronisationskabinen, die die Stöhnkandidaten aufeinanderklatschen sollten, um Kopulationsgeräusche zu imitieren, mit den politpornografischen Zeichentrickfilmen, in denen Engel einen dreigliedrigen Penis entblößten, mit den unvermittelten Wodka-Toasts zwischendurch, die dazu dienten, die ›Bloody Mary Show‹ zu integrieren, mit den schlüpfrig-poetischen Texten meiner schief gesungenen Lieder, mit dem ironischen Bauchtanz von Wiktor, der so die piefige Erscheinung von Philipp als Staubsauger-Geist herbeizauberte. Bei der Verabschiedung war Domenica gar nicht mehr dabei, Wollersheim hatte auch gleich die Bühne verlassen, weil er im Publikum irgendwelche Bekannten von sich begrüßen wollte, und Maxwell schlief einfach selig in seinem Sessel. Während ich der Gewinnerin einen der riesigen Gummipenisse aus meinem Fundus überreichte, unterhielt sich Wollersheim vorne an der Bühne ganz laut mit drei Vokuhila-Typen, die eindeutig dem Rotlichtmilieu angehörten. Sie kamen mir sogar bekannt vor. Wenn ich mich nicht irrte, wurde Wollersheim vom Schönen Mischa, Neger Kalle und Lamborghini Klaus für eine Spritztour durch Sankt Pauli abgeholt. Ich beendete die Show und rannte schnell in die Garderobe.
    Ich schaute auf meinem Handy nach, wer mich die ganze Zeit versuchte anzurufen. Gina war das, wer sonst. Da sie schon sechzehn war, durfte sie das erwachsene Leben spielen. Dabei verlor sie dauernd die Schlüssel, dass Portemonnaie, das Handy. Ich hatte wiederum mein Handy immer nur deswegen bei mir und immer an, weil ich dadurch Ginas Katastrophen lösen konnte. Sie hatte einundzwanzig Mal meine Nummer gewählt. Schlauerweise hatte sie dann eine SMS geschrieben. Sie sei bei einer Demo gegen den seit einem Jahr als zweiter Bürgermeister und Innensenator vollkommen reaktionär regierenden Roland Schill, im Volksmund auch Richter Gnadenlos genannt, und seine Partei Rechtsstaatlicher Offensive eingekesselt und festgenommen worden. Ich rief sie auf dem Handy an. Sie ging nicht ran. Ich rief sie zu Hause an. Sie ging nicht ran. Ich rief James an. Er wusste Bescheid. Sie hätte auch ihn angerufen. Er hätte aber keine Lust, sich um seine Tochter zu kümmern: Sie ist doch schon sechzehn und treibt sich sonst wo rum. Die wusste doch, was sie tat, als sie auf die Demo ging. Ich werde sie nicht aus dem Arrest holen. Das ist doch bestimmt irgendwo in der Walachei. Dieser Mann nervte.
    - James, geh zur nächsten Wache und melde Gina als vermisst.
    - Wieso denn?
    - Ich will wissen, wohin diese Demonstranten gebracht wurden.
    - Die soll selbst zusehen, wie sie da wegkommt. Es wird ihr schon nichts passieren. Andere sind ja auch da. Außerdem gibt es Nachtbusse. Du, ich muss mich jetzt um Domenica kümmern. Die ist fast am Verrecken. Die hat wohl heute zu viel gekokst. Ich muss sie jetzt ins Krankenhaus fahren. Ich komme nächste Woche vorbei, da kannst du mir ihr Honorar geben.
    James legte auf. Ich ging zurück zum Bühnenraum an die Bar. Ich brauchte erst mal einen Schnaps. Die ganze Show hatten alle schön Wodka getrunken, nur ich hatte mich zurückhalten müssen, um den Überblick zu behalten. Kaum jemand war noch anwesend. Die Techniker rollten die Kabel ein. Es war ja auch spät, kurz nach Mitternacht. Der Barmann war am Räumen.
    - Kann ich noch einen Wodka auf Eis haben?
    - Es ist schon Feierabend, geh in die Kantine. Vielleicht kriegst du da noch was.
    - Sag mal, wie alt bist du?
    - Zwanzig, wieso?
    - Es ist schon Mitternacht, du gehörst längst ins Bett. Stell mir eine Flasche Wodka hin und mach deinen Scheißfeierabend.
    - Sag mal, hast du mich etwa beleidigt?
    - Du hast doch wohl gesehen, dass ich diese Show hier geschmissen
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