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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot
Autoren: Mariola Brillowska
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damit sich endlich auf der HaEfBeKa oder gar auf anderen Kunsthochschulen in Deutschland etwas änderte. Sein Geist sollte weiterleben. Dagegen hatte ich nichts. Darüber hinaus brauchte ich so eine feste Professur allemal wegen des Gehalts. Meine Kunst wurde immer teurer. Gina auch, sie war schon sechzehn und wollte bald studieren. Das kostete Geld. Und ich selbst war auch nicht gerade billig. Ich war schließlich über vierzig. Ich aß besser, ich trank exklusiver, ich wohnte weiträumiger. Nachdem Herr Sonder gestorben war, hatte ich seine Wohnung zu meiner dazugemietet und beide zu einer verbunden. Meine Miete kostete jetzt das Doppelte. Dafür wohnte und arbeitete ich auf zweihundert Quadratmetern mitten in der Stadt, direkt am Hauptbahnhof in Sankt Georg und nicht wie die Deppen in Altona, in der Schanze, auf Pauli.
    Ich überlegte, wo sich Leon im Moment auf diesem Planeten aufhalten konnte und ob es ihn überhaupt noch gab. Das letzte Mal hatte ich ihn auf seinem Geburtstag gesehen. Das war vor sechzehn Jahren gewesen. Mein Gott! Wie fand ich ihn? Ich rief Arek an. Ich brauchte seine Telefonnummer nicht mal zu suchen. Ich hatte sie einfach immer noch im Kopf. Unglaublich. Die Verbindung kam sofort zustande. Was für ein riesiger Unterschied zu damals.
    Eine Frauenstimme meldete sich am Apparat.
    - Dorota.
    - Hallo, hier spricht Lola aus Hamburg, bin ich da richtig bei Arek?
    - Ja … Was!? Lola!? Lola aus Hamburg? Irre. Arek, komm mal schnell. Das kann doch nicht wahr sein! Ich bin Dorota, die Tochter von Leon, wir haben uns mal auf Leons Geburtstag gesprochen. Ich bin jetzt Areks Frau.
    Im Hintergrund hörte ich Kindergeplapper und Babygeschrei.
    - Das kann doch nicht wahr sein! Eigentlich rufe ich wegen deinem Vater an. Gibt es ihn noch?
    - Ich gebe dir Arek, der steht hier schon am Telefon. Ich muss mich gerade um die Kinder kümmern, weißt du, wir haben vor vier Wochen Zwillinge gekriegt, und der Junge und das Mädchen sind fünf und drei.
    - Oha, ich gratuliere.
    Ich fuhr mit dem Taxi zu Kampnagel. Ab vierzehn Uhr fand dort der Bühnenaufbau für die PeKaEs, um sechzehn Uhr die technische Probe statt. Um zwanzig Uhr begann die Show. Als Jury hatte ich diesmal lauter Promis: den Kölner Zuhälter Bert Wollersheim, die berühmteste Ex-Hure Deutschlands Domenica und den poetisch-subversiven Rapper der Combo Puppetmastaz, Maxwell Turner. Wegen der Promis wurde die PeKaEs in der ›Bildzeitung‹, auf ErTeEl, im EnDeEr, bei Sateins und im ›Hamburger Abendblatt‹ angekündigt. Die meisten waren aber nur an Domenica interessiert und wollten sie vor Ort interviewen. Sie war wahnsinnig bekannt. Sie war noch zu ihren Prostitutionszeiten von den Celebrities entdeckt worden. Sie verkehrte mit Musikbands wie Trio, Künstlern wie Tomi Ungerer und Horst Janssen, Schriftstellern wie Hans Eppendorfer und Wolf Wondratschek, Filmern wie Peter Kern, Theatermachern wie Peter Zadek und sogar mit Adligen wie Gloria und Johannes von Thurn und Taxis. Nachdem sie vor zehn Jahren aufgehört hatte, auf Pauli als Domina zu arbeiten, wirkte sie eine Weile in verschiedenen Modeshows, Theaterstücken, Filmen und auf Fotos als Muse, bis sie Streetworkerin wurde, die jugendlichen Junkie-Nutten beim Ausstieg half. Das gab sie irgendwann auf und betrieb auf Pauli die Gaststätte ›Fick‹, die sie in ›Domenica‹ umtaufte, aber leider wegen zwanzigtausend Mark Steuerschulden schließen musste. Nun hatte man schon lange nichts mehr von ihr gehört. Ich hatte sie nur deswegen engagiert, weil James, der jetzt ihr Butler war, mir das Ohr abkaute, ich sollte Domenica in die PeKaEs einladen. Sie sei geradezu depressiv, da sich niemand mehr für sie interessiere. Sie brauche wieder etwas Rampenlicht.
    Als ich auf Kampnagel ankam, warteten mehrere Journalisten und Fernsehteams wie die Paparazzi im Foyer, obwohl noch längst nicht Abend war. Ich hatte ihnen doch gesagt, dass Domenica frühestens um neunzehn Uhr dreißig kommen würde und erst nach der Show interviewt werden konnte. Ich ging zur Bühne und hatte sofort jede Menge Stress mit allem und allen. Das Personal von Kampnagel war bekannt für seine Bockigkeit und Unkooperativität. Es arbeitete langsam, um gleich zwei Schichten statt einer abzurechnen. Es gab einen Bühnenmeister, einen Beleuchter, einen Tonmann und einen Videotechniker. Jeder von denen hatte einen Assi. Deren Honorare gingen von meinem Gesamtbudget ab. Wenn der eine gerade eine Pause einlegte, konnte der andere
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