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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule
Autoren: Christine Lehmann
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jedes höfliche Lächeln sparten. Das hätte auch Richards Hausfreundschaft mit Elsäßer erklärt. Sie jedenfalls benahm sich wie eine, die sich im Schnittpunkt einer Dreiecksbeziehung wusste. Warum auch sonst kam sie trotz Kopfschmerzen von oben herab, um Schälchen mit Oliven und Erdnüssen hinzustellen, während der Gatte zeremoniös lärmend den Château L’Evangile Pomerol präsentierte, ein Anekdötchen erzählend, wie er an die Flasche gekommen war. Richard und Margot blickten Hermann mit einer Resignation an, die ihn, ohne dass er es merkte, dem heimlichen Gelächter unbeteiligter Zuschauer preisgab.
    Der Korken quietschte aus dem Flaschenhals.
    »Wo hast du denn den Korkenzieher, den ich dir geschenkt habe, Hermann?«, erkundigte sich Richard.
    Ich erinnerte mich plötzlich, dass ich eine ähnliche Frage vor ein paar Tagen auf meinem Lauscherposten draußen vor dem Fenster aus Margots Mund gehört hatte.
    Elsäßer machte eine wegwerfende Geste. »Dieser neumodische Klump! Nimm mir’s nicht übel, Richard.«
    »Wo hast du ihn denn?«
    Margot schärfte den Blick und strich das kupferrote Haar zurück.
    Elsäßers Höhenflug sackte vorübergehend in ein Luftloch. »Richard, du bist doch nicht sauer, hör mal. Weihnachtsgeschenke sind doch immer Verlegenheitsgeschenke. Wir sind doch keine Kinder mehr. Ich konnte halt wirklich nichts mit dem Ding anfangen.«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet«, sagte Richard.
    Elsäßer stellte die Flasche auf den Tisch und ließ sich in einen Sessel fallen. Verwundert schaute er zwischen Richard und Margot hin und her, doch beide verweigerten ihm diesmal die Nachsicht, und so ruhten seine Augen am Ende groß auf mir.
    Er hatte mir von Anfang an verboten, im Schulhofmord zu recherchieren. Immer wieder hatte er sich dann über den Stand der Ermittlungen berichten lassen und sich erst entspannt, als Marko verhaftet wurde. Nach den Schüssen auf Richard war er erneut nervös geworden, weil ich keine Ruhe gab, hatte versucht mich rauszuschmeißen und sich erst besänftigen lassen, als Otter und Bollach ins Zentrum der Geschichte rückten. Und heute Morgen dann hatte ich ihm auf Anfrage versichert, dass der Mord an Marquardt, der im allgemeinen Verhaftungsrausch untergegangen war, als im Prinzip aufgeklärt galt. Ein Minister war zurückgetreten, und nun war Elsäßer in Feierlaune.
    »Wir haben«, erklärte Richard, »einen Korkenzieher derselben Machart und Marke wie der, den ich dir geschenkt habe, in einem Sessel versteckt in Bollachs Büro gefunden.«
    Margot Müller-Elsäßer lachte laut auf.
    »In der Nadel«, fuhr Richard fort, »fanden sich Blutreste von Marquardts Blutgruppe. Eine Genomanalyse wird die Übereinstimmung zweifelsfrei beweisen. Aber Bollach hat für den Zeitpunkt von Marquardts Tod ein Alibi. Er war in Ulm bei einer Podiumsdiskussion über Lehrermangel, zu große Klassen und Gewalt an den Schulen.« Richard milderte die inhaltliche Schärfe seiner Worte mit einem leichthin gesprochenen Nachsatz ab. »Eine seltsame Sache, nicht?«
    Elsäßer entspannte sich. »Ja, seltsam.«
    Richard lächelte. »Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass nicht viele Korkenzieher dieser dänischen Marke im Umlauf sind. Sie wurden in Stuttgart seit November in fünf Läden und Kaufhausabteilungen verkauft, etwa dreißig Stück. Bei etwa der Hälfte lassen sich die Käufer über die Kreditkarten ermitteln. Wo hast du denn nun deinen?«
    »Mein Gott, bist du hartnäckig.« Elsäßers Augen flitzten hin und her, dann wuchtete er sich hoch. »Aber in diesem Haus geht ja nichts verloren. Margot, wo hast du das Ding hingetan?«
    Sie blickte erstaunt hoch. »Wenn er nicht in der Schublade ist …«
    Elsäßer riss die Lade unter der Vitrine mit den Weinkelchen auf, wühlte lautstark darin herum und griff, als sich das Gesuchte nicht fand, mit beiden Pranken hinein und ließ Cocktaillöffel, Sektflaschenverschlüsse, versilberte Zierkorken, Nussknacker aus Messing, Zigarrenscheren und Mateteeröhrchen auf den Boden prasseln.
    Peinlich berührtes Schweigen.
    Margot stand auf, ging in die Hocke und begann, die Utensilien wieder einzusammeln. Ihr Rückgrat zeichnete sich scharf unter dem engen schwarzen Pullover ab. Die kupferroten Haare verwehten das Gesicht. Elsäßer trat zurück, nahm eine Pfeife aus dem Pfeifenständer und stopfte sie schnaufend.
    »Also, Kinder«, sagte er nach den ersten dampfenden Zügen, »was werden wir uns denn wegen eines albernen Korkenziehers in die
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