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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule
Autoren: Christine Lehmann
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Wolle kriegen. Entschuldige, Richard, ich wusste wirklich nicht, dass du mit deinen Geschenken so eigen bist.«
    Ich sah, dass Richard ernstlich irritiert war. Merkte sein Freund Hermann denn nicht, dass es nicht um ein Geschenk ging? Konnte er so blöd sein? Konnte man eine Tat so vollständig verdrängen, wenn Polizei und öffentliche Aufregung die Schuld einem anderen zuwiesen? Oder war der Korkenzieher doch das falsche Indiz? War Richard auf dem besten Wege, eine alte, wenn auch nicht sonderlich aufregende Freundschaft sinnlos zu zertrümmern?
    Richard schaute mich an.
    Das hatte er schlau eingefädelt, aber auch anrührend einfach. Ohne meine Hilfe bekam er den Korkenzieher nicht aus Bollachs Sessel zurück in Elsäßers Finger. Doch wenn ich ihm helfen wollte, dann musste ich mich selbst einer vermutlich strafbaren Handlung bezichtigen, die nicht ungeahndet bleiben würde, da ich dann ja auch als Zeugin in den diversen Prozessen auftreten musste. Als Jurist aus Leidenschaft achtete Richard mein Selbstschutzinteresse, aber als Mensch machte er es mir verdammt schwer, darauf zu bestehen, denn nun langte er über die Sessellehne und nahm meine Hand.
    Derweil richtete sich Margot auf, ließ die Gerätschaften in die Lade zurückpoltern, strich sich das Haar aus dem Gesicht, wandte sich um und erstarrte beim Anblick unseres Händchenhaltens.
    Elsäßer grinste schlonzig.
    Mir rieselte es kalt den Rücken runter. Im nächsten Moment würden sich die Eichenmöbel aus der jahrzehntelangen Starre befreien, auf uns zutanzen und sich auf uns werfen. Die Bilder hüpften von den Wänden und keilten uns um die Ohren. Der Teppich bäumte sich auf und verschlang uns.
    Margots Gesicht fiel auseinander. Sie erkannte: Richard kam schon lange nicht mehr, um sie zu sehen, sondern tatsächlich um mit Hermann diesen endlos öden Gedankenaustausch über Lops und Flops, 16-Ventiler und Politik zu pflegen, den sie nur deshalb mit Oliven und Erdnüssen unterstützte, weil sie glaubte, auch für Richard bedeute dies ein Opfer. Sie fing sich jedoch, schob das Olivenschälchen über den Eichentisch, setzte sich und faltete die Hände im Schoß. Der Ehering schien zu groß für den knochigen Finger.
    Auf einmal war alles kaputt, wussten alle drei nicht mehr, was sie vormals miteinander gewollt hatten. Elsäßer merkte es als Letzter und versuchte, seinem poltrigen Naturell gemäß, mit alten Gebräuchen gegenzusteuern, griff die Weinflasche, präsentierte das Etikett erneut und schenkte ein. Schwarzrot mit einem Stich ins Lila schimmerte der Wein in den Kelchen.
    Richard drückte meine Hand.
    »Was nun diesen Korkenzieher betrifft …«, begann ich.
    »Nun ist es aber gut, gell«, sagte Elsäßer. »Man kann es auch übertreiben.«
    »Ja, aber diesen Korkenzieher, den die Polizei in Bollachs Sessel gefunden hat, den habe ich dort deponiert, nicht in der Absicht, ihn zu belasten, sondern aus Angst, dass er bei mir gefunden würde, wenn der Wachdienst mich wegen meiner Abhörelektronik filzt. Ich gebe allerdings zu, dass ich später versucht habe, damit den Verdacht auf Bollach zu lenken, statt die Ermittlungsbehörden sofort über den wahren Sachverhalt aufzuklären.«
    Richards Finger zuckten.
    »Vielleicht mag man mir zugute halten, dass ich mir, als ich den Korkenzieher in der Sammlung von nutzbarem Trödel in der Asservatenkammer von Frau Schneider fand, während sie mir das Abhörgerät zusammenbaute, nicht über die Bedeutung des Fundes im Klaren war.«
    Margot lachte erneut auf. »Na, hoffentlich kann Frau Schneider nun ein Alibi vorweisen, sonst geht es ihr an den Kragen.«
    »Wenn wir schon beim Alibi sind«, sagte ich, »wo waren Sie denn an jenem Dienstagabend?«
    »Bei einer Freundin.«
    »Hat sie auch einen Namen?«
    »Hat sie, aber das geht Sie nichts an. Offenbar lässt der Herr Oberstaatsanwalt seine Verhöre jetzt von einer Journalistin führen. Ein Mann über fünfzig ist offensichtlich vor keiner Torheit gefeit. Je älter, desto alberner die Entgleisungen. Richard, merkst du denn nicht, dass sich diese kleine Schlampe über dich mokiert?«
    »Eifersucht«, sagte Richard ruhig, quetschte mir aber dabei fast die Finger ab, »ist ein schlechter Richter.«
    »Du unterstellst mir Eifersucht?! Dass ich nicht lache. Entschuldige, aber es ist noch nicht lange her, dass sich die Schlampe bei mir bitter über deine Eifersucht beklagt hat.«
    »Wobei«, fuhr ich auf, »wobei Sie mir eröffnet haben, dass Ihnen Eifersucht vertraut ist
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