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Halloween

Halloween

Titel: Halloween
Autoren: Stewart O'Nan
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ein paar alten Tabakscheunen, die man mit Tiefladern dorthin transportiert hat; dort sind unsere Mütter immer hingefahren, um Halstücher zu kaufen, zu Mittag zu essen und sich bei Sushi oder Pasta den neuesten Klatsch zu erzählen.)
    «Verstanden», sagt Brooks und legt bereits den Rückwärtsgang ein. Er sollte froh sein, dass Ravitch etwas für ihn hat, aber jetzt, wo er hier ist, fällt es ihm schwer loszufahren. Denn Brooksie ist nicht dumm. Er weiß, dass es noch nicht vorbei ist. Ihn quält nicht nur die Vergangenheit, er hat da so eine Vorahnung wegen heute – morgen, heute Nacht. («Geist, hab Erbarmen, zeig mir nichts mehr!» An dieser Stelle rufen wir ihm Tim ins Gedächtnis, lassen die Erinnerung daran aufblitzen, wie er vom Rücksitz aus nach Brooks ruft, die Tür zerknittert wie Aluminiumfolie, total verklemmt.
    Er wendet in drei Zügen, seine Lichter gleiten gespenstisch durch die Bäume. Während er in die Stadt zurückfährt, fragt er sich, was wohl aus dem Cabriolet geworden ist – keine Halluzination, bloß ein Zufall. Jugendliche. Er glaubt das, was er muss. Und es stimmt, zumindest teilweise; wir haben ihn nicht hergebracht, wir haben nur geholfen. Er hat uns gerufen, nicht andersrum. (Wär das nicht cool?, sagt Toe. Wenn wir jederzeit aus dem Nichts auftauchen könnten?)
    Brooks folgt der Ausfahrt, lässt den großen Vic durch die Kurven rollen. Er muss vor dem zweiten Streifenwagen da sein und drückt auf die Tube. Jetzt wäre der richtige Augenblick, um ihm das Eichhörnchen zu schicken, es unter seine Reifen flitzen zu lassen, rums-rums. Toe ist bereit, er hat sogar schon eins ausgewählt, aber Danielle hindert ihn daran.
    Ihr seid ja wie besessen.
    He, Marco, sagt Toe. Los, wir lassen die Straßenlaterne blinken.
    Warum?
    Weil es gruselig ist.
    Das ist
nicht
gruselig, sagt Danielle. Kyle ist gruselig.
Tim
ist gruselig.
    Tim ist cool, sagt Toe, und während sie sich streiten, gleitet Brooks zwischen den Säulen durch und kehrt in die Welt der Lebenden zurück.
    Guck mal.
    Scheiße, sagt Toe und lässt die Laterne blinken – zu spät, der Streifenwagen ist schon daran vorbei. Er will, dass wir Brooks folgen, ihn die ganze Nacht quälen, mit ihm nach Hause fahren, aber es ist noch früh, und im Vergleich zu Tim ist es mit Brooks einfach.
    Lass ihn in Ruhe, sagt Danielle, und sie hat Recht. Wir haben noch den ganzen Tag. Bei Brooks ist es bloß eine Frage der Zeit. Denn er ist wie Tim (Wir lieben dich, Tim) – er erinnert sich. Oder liegt es daran, dass er nicht vergessen kann? Egal. Es liegt nicht so sehr an übersinnlichen Kräften, sondern eher daran, dass Brooks so berechenbar ist, und er begreift das, er versteht, warum Melissa gehen musste. Genau wie wir kommt er nicht klar. Schon als er wegfährt, weiß er, dass er wiederkommen wird.
     
    Mitten auf dem Parkplatz, direkt unter einer Laterne, steht ein leerer Einkaufswagen. Kyle weiß nicht, wie er ihn übersehenkonnte – die Autos sind alle weg. Es ist kurz vor Feierabend. Zu Hause gibt es Kakao. Hoffentlich auch Marshmallows. Seine Mutter sollte welche besorgen, aber was ist, wenn sie es vergessen hat? (Hat sie nicht. Sie hat sie gestern besorgt, Sta-Pufs, seine Lieblingssorte, sie hat Kyle die neue Tüte extra gezeigt, als sie sie einräumte, denn er hat das ganze Wochenende von nichts anderem geredet. Das kann man nicht erklären. Stell dir vor, du springst von einem fünfstöckigen Gebäude und landest auf dem Gesicht. Und jetzt stell dir den Genesungsprozess vor.
    Tim ist einfacher; er ist bloß durchgeknallt.
    Tim ist cool, sagt Toe. Zieht nicht über Tim her.
    Es gibt den üblichen Streit, aber ein Blick von Danielle, und wir halten beide den Mund.)
    Tim schlingt das Klettband um den Griff des vorderen Wagens, um die ganze rasselnde Schlange durch die Tür zu schieben, als er den einzelnen Wagen sieht. Bei Kyle kann ihn nichts mehr überraschen. Manchmal wird Tim ungeduldig mit ihm, und dann kann er sich selbst nicht leiden. So ist Kyle nun mal – aber eigentlich ist das nicht mehr Kyle, nicht der echte Kyle, welcher auch immer. Die Welt ist nicht die Welt, aber alles soll okay sein.
    «Los, Kumpel, nicht aufhören jetzt. Ich muss sie alle kriegen.»
    «Okay, Tim», sagt Kyle und lächelt über den Pokémon-Witz, die unerwartete Verknüpfung so angenehm, als hätte er ein Puzzle richtig zusammengefügt. Im Rehazentrum legt er Puzzles. Dort gibt es einen Tisch, an dem er sie mit den anderen legt. Einmal hat ein Mädchen in
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