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Halloween

Halloween

Titel: Halloween
Autoren: Stewart O'Nan
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Schaufenster noch erleuchtet sind; all die anderen Stop’n’Shops in der Gegend sind rund um die Uhr geöffnet, bloß Avon hat noch diese blöden Vorschriften. Tim ist bereit, den Wagen wegzuschicken, dem stocksauren Fahrer zu erklären, dass er seine Milch an der Shell-Tankstelle holen muss, aber dann erreicht der Wagen die ersten Laternen, und er sieht, dass es ein Polizist ist.
    Zuerst kriegt er einen Schreck. Er hat den Drang wegzulaufen, als hätte man ihn bei irgendwas ertappt, doch dann entspannt er sich und ist nur noch empört – Scheiße, nicht schon wieder. Er weiß, wer es ist. Er geht zu Kyle und nimmt ihm den Wagen ab, versucht, den auf sie zurollenden Streifenwagen, die Scheinwerfer, die hinter den Chromgittern leuchten und ihre Schatten an die Wand werfen, nicht zu beachten. Es gibt kein Entrinnen, trotzdem rammt er den letzten Wagen fest und lässt den Gurt durch den Griff gleiten.
    Der Streifenwagen fährt entgegen der Fahrtrichtung auf die gestreifte Feuerwehrspur und hält so dicht neben ihnen, dass sie ihn berühren könnten. Die Scheibe ist bereits unten. Es ist sein Schutzengel, und Tim empfindet wieder diese schuldbeladene Mischung aus Dankbarkeit und Gleichgültigkeit, spürt das Band zwischen ihnen, das es am besten nicht gäbe. Die einzige Art, sich zu revanchieren, bestände darin, ihm das Leben zu retten (erwartungsgemäß umgekommen zu sein), aber das wird nicht passieren.
    «Na, Kyle. Tim.»
    «Hallo, Officer Brooks», sagt Kyle in seinem teigigen, trotteligen Tonfall. (Tss, sagt Toe, was ist mit den Kaninchen, George?
    Warum musst du so gemein sein?, fragt Danielle.
    Ich bin tot, sagt Toe. Ich brauche nicht nett zu sein.)
    «Hey», sagt Tim, und wie immer spürt er, dass Brooks seine Gedanken liest, dass er die Zimmer seines Gehirns durchsuchtund Schubladen zuknallt – wahrscheinlich sind wir es bloß, aber das weiß er nicht.
    Sie sind sich einig, dass es eine ruhige Nacht ist. Nein, keine Probleme hier. Brooks sagt, dass er hinten trotzdem mal kontrolliert. Tim glaubt schon, er ist ihn los, als Brooks nochmal den Ellbogen aus dem Fenster lehnt.
    «Ihr beide kennt nicht zufällig jemanden mit einem weißen Cabriolet? Schwarzes Verdeck?»
    Das muss Travis sein; er hat es gerade von Debbie Parmalees älterer Schwester gekauft, die nach Stanford gegangen ist. (Emily, sagt Danielle; das war die Nette. Megan kann ich nicht ausstehen. Konntest du nicht, sagt Toe.
Kann ich nicht.
) Tim fragt sich, ob Kyle sich noch an den Wagen erinnern kann, denn er und Debbie waren befreundet – sind befreundet –, aber Kyle hat die Frage nicht mitbekommen, ist wieder in Kyleland und beobachtet, wie sich ein zäher Nachtfalter zwischen den roten Neonröhren des Schilds hindurchschraubt.
    «Nee», sagt Tim.
    «In Ordnung.» Brooks deutet auf Tims Wrangler drüben, wo sie parken sollen, als wüsste er, dass es gelogen ist (als würde er jeden Wagen in Avon kennen). «Du weißt, dass diesen Monat deine Zulassung abläuft.»
    «Ich weiß.» Das stimmt. Das ist bloß eine von vielen lästigen Aufgaben, zu denen er nicht mehr kommen wird. Rechtlich gesehen hat er dreißig Tage Zeit; aber in Wirklichkeit nur einen (nicht mal mehr einen), und er hat wichtige Dinge zu erledigen.
    «Arbeitet ihr beide morgen?», fragt Brooks.
    «Keine Ahnung», sagt Tim, denn er will ihm nicht in die Falle gehen. «Vielleicht eine halbe Schicht.»
    Brooks kommt nicht auf Partys zu sprechen, darauf, ob ihre Eltern sie vor die Tür lassen – die Frage, der auch Tim ausgewichen ist. Er hat seinen Eltern noch nicht gesagt, dass er Dienst hat. Er erwartet nicht, dass es ihnen gefällt, aber er lässt sich vonihnen nicht vorschreiben, was er zu tun hat. Sie vertrauen ihm, was er traurig findet. (Im letzten Monat hat seine Mom Danielle nachts dreimal zu sich gerufen, aber in tiefem Schlaf, als wüsste sie im Innersten, was passieren wird. Danielle steht am Fuß des Bettes und beobachtet, wie sie den Kopf auf dem Kissen hin und her dreht und nein, nein sagt, aber Tims Mom glaubt, es ist Trauer, eine Erinnerung, keine Warnung. Danielle wartet darauf, sie tagsüber besuchen, ihr am Spülbecken eine Tasse aus der Hand schlagen oder ihr das Lesezeichen stehlen zu können – mehr können wir nicht tun –, aber der Ruf kommt nicht.)
    «Ich mache eine Doppelschicht», sagt Brooks, und es klingt wie eine Drohung. «Wir sehen uns bestimmt. Kyle, grüß deine Familie von mir. Du auch, Tim.»
    «Auf Wiedersehen, Officer Brooks», sagt Kyle
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