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Halloween

Halloween

Titel: Halloween
Autoren: Stewart O'Nan
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Pond und braust die Gerade entlang. Sein erster Gedanke ist, Vollgas zu geben, damit er ihn mit seinem V- 8-Motor einholt, aber er spürt uns, lärmend wie kleine Kinder, auf dem Rücksitz, und das zügelt seinen Jagdeifer. Es erscheint ihm falsch, wie ein Trick, als gäbe es keine richtige Antwort. Das Cabriolet bremst, um die vor ihm liegende S-Kurve zu nehmen, und er verliert es wieder aus dem Blick, da die Rücklichter durch die Kurve verdeckt sind. Sie kommen direkt am Revier vorbei; Ravitch könnte bei geöffneter Seitentür heimlich eine rauchen, ihn sehen und sich fragen, was er wohl vorhat. Er gleitet aus der Kurve in die orangen Lichter, die in die Innenstadt führen, und sieht gerade noch, wie das Cabrio scharf nach rechts auf die Old Farms Road biegt (überschlag dich bloß nicht, betet er).
    Ich schwöre bei Gott, dass wir es nicht sind, aber Brooks hat Halluzinationen. (Toe lacht und Danielle sagt, er soll die Klappehalten. Nichts findet sie witzig; du würdest kaum glauben, was für ein Miststück sie geworden ist.)
    Er fährt langsamer. An der Kreuzung, dem kolonialen Kern von Avon, ist niemand zu sehen. Zu seiner Linken erhebt sich weiß und gebieterisch die Kongregationalkirche, der Kirchturm angestrahlt, der Friedhof auf der Rückseite im Schatten; zur Rechten leuchtet O’Neill Chevrolet, der mit Teppichboden ausgelegte Ausstellungsraum nur noch ein Geist des IGA, in dem seine Mutter immer einkaufte, als Brooks noch klein war, die Gänge in minzgrünem Linoleum aus der Zeit vor seiner Geburt, das in den Ecken abgesplittert war und den uralten Fußboden darunter zum Vorschein brachte.
    Brooks hat in diesem Moment jede Menge Möglichkeiten (die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft – der Typ ist wie Mr. Magoo als Scrooge, und wir sind seine Geister: «Sag mir, Geist, sind dies die Dinge, die sein werden, oder die, die sein können?»). Er hat den Code 36 immer noch nicht gemeldet. Er könnte geradeaus fahren und dann auf der 44 den Berg rauf bis zur Stadtgrenze, könnte umkehren und sich hinter dem «Willkommen in Avon»-Schild neben dem Golfplatz aufstellen, von den Bäumen verdeckt. Er könnte warten und links abbiegen, mit seinem Suchscheinwerfer über die Parkplätze am Postamt und am Sperry Park streichen (dort macht sich gerade ein Junge mit einer Schachtel Kreide und einer Tube Sekundenkleber an der Imbissbude zu schaffen und ist froh, dass Brooks nicht abbiegt). Er könnte sogar bei O’Neill’s reinfahren, zwischen den Reihen kostspieliger neuer Luminas und Malibus entlanggleiten, in drei Zügen wenden und sich so hinstellen, dass die Schnauze des Vic zu sehen ist und die Leute bremsen. Aber er ist Brooks (vielleicht ist es der Marine in ihm, der Rekrut, der sich den Arsch aufgerissen, sich vor Versagensangst in die Hose geschissen hat), für ihn gibt es keine Wahl.
    Er biegt nach rechts in die Old Farms Road und versucht, ihre Spur aufzunehmen. Nichts, bloß ein paar Verandalichter, roteReflektoren auf Metallstangen. In den Bäumen baumeln Bettlakengespenster, in Gartenstühlen fläzen sich ausgestopfte Vogelscheuchen. Hier gibt es einen Gehsteig aus der Zeit, als die Stadt noch eine Stadt war. Brooks findet, dass er Glück hat: Morgen – heute, heute Nacht – wird es hier von kostümierten Kindern wimmeln, von Eltern, die ihre Kleinen begleiten. Er wird eine Extraschicht einlegen, dankbar für diese Möglichkeit. Er muss diese Stunden irgendwie hinter sich bringen.
    Da sind sie, weit vorn, sie fahren mit ausgeschalteten Scheinwerfern unter der Ampel an der Arch Road durch und verspielen die Chance, unter der Eisenbahnüberführung zu wenden. (Toe muss ihnen seine Anerkennung ausdrücken; ihm ist dieser alte Trick nicht mal eingefallen.) Wahrscheinlich irgendwelche Jugendlichen, denkt Brooks und muss sich zurückhalten, damit er ihnen nicht hinterherrast. Im Unterricht hat ihnen der harte Hund von der Staatspolizei Dias von Wagen gezeigt, die sich um Telefonmasten gewickelt hatten, in zwei Teile gerissen oder von Sattelschleppern zusammengedrückt worden waren, ein paar davon waren Streifenwagen, alle nach wilden Verfolgungsjagden. Brooks hat fast mit uns gerechnet, in all unserer hässlichen, blutigen Herrlichkeit, dem Camry und dem berühmten Baum. «Kann mir jemand sagen, welches Tempo eine Hochgeschwindigkeitsjagd zu einer Hochgeschwindigkeitsjagd macht?», fragte der Staatspolizist, und niemand war so mutig oder so dumm, ihm zu antworten. «Von einer
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