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Halloween

Halloween

Titel: Halloween
Autoren: Stewart O'Nan
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entwickelt, das Schweigen anderer Menschen zu deuten. Seine Mom und sein Dad tun ihm Leid, das ist alles. (Danielle sitzt mit verschränkten Armen neben ihm, stocksauer. Der echte Kyle ist wieder bei uns auf dem Rücksitz. Es ist wie ein Treffen alter Freunde; es läuft sogar Musik.)
    Today is, today is, today is, the greatest, day-e-yay-e-yoo-hoo-hoohoo …
    Er müsste inzwischen da sein; der Song geht zu Ende. Es kann nicht mehr weit sein.
    Brooks hinter ihm ist unnachgiebig. Wenn er bloß anhalten würde, aber er rückt ihm immer wieder auf die Pelle. Was will er? Er hat ihm doch schon alles genommen. Das hier kann er ihm nicht auch noch nehmen, das Einzige, was ihm geblieben ist.
    «Nein», sagt Tim schließlich entschlossen. Er hat keine Angst. (Komm raus in die Nacht.)
    Der Jeep springt über den Scheitelpunkt einer Steigung, und am anderen Ende einer Ebene leuchtet ein Feuer – der Baum, wie ein Leuchtfeuer in der Nacht, ein Signal. Die Flammen rufen ihn zu sich, sie sind alles, was er sehen kann. Er hält direkt darauf zu.
    (Auf geht’s, sagt Toe, und wir alle legen die Hände auf Tim, auch der echte Kyle, auch Danielle.)
     
    Brooks hat nicht genug Platz, um ihn im letzten Moment sauber von hinten zu erwischen, und versucht es erst gar nicht. Seine einzige Chance besteht darin, neben ihn zu fahren, ihm einen Stoß zu versetzen und zu hoffen, dass sie beide an dem Baum vorbeischrammen. Er gibt Gas, holt auf der Ebene so weit auf, dass er in ihn reinfahren kann, und streift ihn bloß leicht am Heck.
    Tim lenkt zu stark gegen, und der Jeep neigt sich gefährlich zur Seite und kippt um. Brooks versucht, rechts vorbeizufahren, rutscht aber in ihn rein und denkt: O Scheiße. Sie schlittern beide seitlich von der Straße, überschlagen sich in den Blättern, und der Vic rammt den Jeep gegen den Baum.
     
    Es gibt keine Zeitlupe. Travis und Greg lassen ihre Bierdosen fallen und rennen so schnell sie können, aber sie kommen nur ein paar Schritte weit und werfen sich zu Boden, als die beiden Wagen auf sie zudonnern. Der Jeep überschlägt sich und fliegt durch die Luft, kracht voll gegen den Baum, das Dach verbiegt sich, und Glasscherben prasseln herab. Bevor er auf dem Boden aufkommen kann, spießt der Streifenwagen direkt dahinter ihn in der Mitte auf, sodass die beiden aussehen wie ein T-Bone -Steak, und das Heck des Vic stellt sich auf und kippt nach vorn, das Fahrgestell zerschrammt hoch oben den Baum, rasiert Zweige ab, fällt dann runter und landet auf dem Dach.
    Alles bleibt liegen, und ringsum tritt eine leere Stille ein. Der Baum brennt noch schwach, kleine Flammen züngeln über die verkohlte Rinde.
    «Ach du Scheiße», sagt Greg. «Ach. Du. Scheiße.»
    Travis kann nicht aufstehen. Greg muss ihn am Arm hochziehen.
    Ein Polizist in einem Tahoe hält mit blinkendem Blaulicht. Er kommt auf sie zugerannt und fuchtelt mit einer Pistole rum. «Hinlegen!», brüllt er. «
Sofort
auf den Boden legen!»
    Das Arschloch kniet sich auf sie, als wäre es eine Folge von
Cops
, drückt ihre Gesichter ins Laub. Sie können nicht erklären, was sie dort tun, und er befiehlt ihnen, aufzustehen und die Hände auf die Motorhaube seines Wagens zu legen.
    Der Polizist geht zuerst zu dem Jeep. Der Wagen liegt auf der Seite, und er muss sich auf die Zehenspitzen stellen, um reinschauen zu können.
    (Wir können reinschauen. Staub hängt in der Luft, das Trockenschmiermittel des Airbags, der zerplatzt ist und schlaff am Lenkrad hängt. Tim liegt reglos auf der Fahrerseite, einen Arm unter den Körper geklemmt. Der Polizist leuchtet ihm mit der Taschenlampe ins Gesicht. Kein Zweifel.
    Ich kann’s nicht glauben, sagt Danielle. Du bist so ein Arsch.
    Es geht ihm besser, sagt Toe, als wäre er krank gewesen.
    Wir haben es versucht, sage ich.
    Quatsch, sagt Danielle.)
    Der Vic liegt auf dem Dach, die Räder in der Luft. Der Polizist läuft rüber und geht in die Knie, um reinzuschauen. Er muss mit dem Griff der Taschenlampe die Fensterscheibe einschlagen.
    (Natürlich gehen wir rüber. Deshalb sind wir ja hier. Auch Brooks’ Airbag ist geplatzt und erfüllt das Wageninnere mit schimmerndem Feenstaub, als wäre es eine geschüttelte Schneekugel. Er hängt in seinem Gurt, der Hals so weit zurückgebogen, dass sein Gesicht gegen die Decke gedrückt wird, und das Blut,das ihm aus den Ohren rinnt, befeuchtet die Auskleidung des Wagens. Eine Hand ist zur Tür ausgestreckt, als hätte er im letzten Moment versucht zu flüchten.
    Das
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