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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufzugeben.
    »Eve!« schrie er und schüttelte sie an den Schultern. »Eve! Es ist nichts vorbei. Wir wessen jetzt, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Irgendwann treffen wir auf andere Menschen.«
    »Irgendwann.« Sie begann wieder zu atmen. Wolff war es, als erlebe er eine Wiedergeburt. »Jetzt haben wir kein Zelt mehr.«
    »Wir werden im Windschatten der Kamele schlafen. Wir dürfen bloß jetzt nicht schlappmachen, Eve … nicht jetzt beim Endspurt.«
    »Morgen ist wieder die Sonne da –«, sagte sie leise. »Der fliegende Sand … dieser widerliche blaue Himmel, die kochende Luft, die gelbe, gewölbte, weiche, vom Wind zu einem Wellenmuster gepreßte Erde aus Sand … Sand … Sand … die Stille … die singenden Sklaven in ihren Staubwolken … an den Kamelen hängen sie wie dicke, schwarze Trauben … Bert, ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr! Das hier war jetzt meine letzte Kraft …«
    Sie wandte den Kopf weg und streckte sich. Wolff wußte, daß es sinnlos war, weiter auf sie einzusprechen. Er deckte sie mit einer zerschlissenen Kameldecke zu und stapfte zu Bender. Dr. Bender hatte alle Feuer löschen lassen bis auf die wenigen, um die sich die Sklaven lagerten. Noboro ging herum und schimpfte. Einige hatten sich in der Begeisterung die Hände verbrannt und streckten sie jetzt Bender entgegen.
    »Wie nimmt es Eve auf?« fragte er, bevor Wolff etwas sagen konnte.
    »Sie hat die Nerven verloren. Sie kann einfach nicht mehr.«
    »Sie wird können. Und wenn sie auf allen vieren weiterkriecht. Lassen Sie sie jetzt in Ruhe, Wolff. Ich kenne Eve besser als Sie. Das hat ein alter Mann der Jugend voraus: Wir tragen keine rosarote Brille mehr, und wenn, dann machen wir uns lächerlich. Ich habe Eve in den ganzen Tagen beobachtet … sie hat mehr Energie als wir zwei zusammen. Ein zähes Luder, sage ich Ihnen. Zugegeben, im Augenblick hat es sie umgehauen, aber morgen früh sitzt sie wieder im Sattel und kümmert sich um die Frauen.«
    Er untersuchte die Hand eines der Verbrannten und hob die Schultern.
    »Ich kann dir nicht helfen, mein Sohn –«, sagte er und tätschelte dem erwartungsvollen Sklaven die Wangen. »Keine Brandsalbe, kein Puder, nur noch vier Verbandspäckchen. Und die behalte ich für den Notfall. Du bist keiner. Wenn dir die verbrannten Pfoten weh tun, stecke sie dir in den Hintern oder pinkele drauf. Das brennt, aber heilt, sagte meine Großmutter.«
    Der Nubier nickte, als verstände er ihn, zog die Hände weg und versank in ein dumpfes Brüten.
    Bei den Lastkamelen trafen sie auf Noboro, der mit dreien seiner Leute die Vorräte zählte. Bender wußte es schon seit drei Tagen … Wasser war genug vorhanden, man hatte auf der Wanderung vier Brunnen gefunden, die Kamele hatten sie hingeführt, von einem unerklärbaren Instinkt getrieben … aber die Säcke mit Trockenfleisch und Mehl waren fast leer, die Datteln reichten nur noch für fünf Tage, aber einhundertdreißig Menschen mußten leben …
    »Noboro zählt genau«, sagte Bender und blieb stehen. »Soll ich Ihnen sagen, was kommt, wenn wir noch einmal zweiundzwanzig Tage unterwegs sein müssen? Die Starken werden die Schwachen fressen …«
    »Kannibalismus?« Wolff spürte es eiskalt an sich herunterlaufen. »Das werden wir verhindern.«
    »Nichts werden wir, Wolff. Wollen Sie in die Menge hineinschießen? Bitte … Sie erreichen damit nur, daß Sie zum Frischfleischlieferanten werden.« Bender lehnte sich an eines der knienden Kamele und atmete schnaufend durch die Nase. »Was gäbe ich darum, jetzt eine Zigarette zu haben. Merkwürdig, was? Die ganze Zeit habe ich kein Verlangen danach gehabt, aber jetzt plötzlich.« Er sah Noboro nach, der langsam, mit wiegendem Schritt wegging. Er hatte den Kopf gesenkt, auf seinem breiten Stiernacken lag das kalte Sternenlicht.
    »Jetzt weiß er, wie viele leben bleiben«, sagte Bender ruhig. »Ich bin gespannt, wann die Schlachterei losgeht. Wolff, verdrehen Sie nicht die Augen. Was Sie hier erleben, ist der Mensch ohne Schminke von Moral und Humanismus. Dieser abgeschminkte Mensch ist grausam, abscheulich, das größte Untier aller Zeiten. Es gibt nur wenige Wesen, die sich gegenseitig auffressen: die Schwarze Witwe, die ihr Spinnenmännchen nach der Begattung aussaugt, ein halb verhungerter Wolf, ein Hai, die Piranhas und – warten Sie es ab – der Mensch.«
    »Wir haben noch die Kamele, Bender«, sagte Wolff heiser vor Entsetzen.
    »Halten Sie Noboro für einen Idioten? Ein Kamel ist
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