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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zehnmal wichtiger als ein Mensch. Ein Kamel trägt, sucht Wasser, befördert … ein Mensch will nur fressen, weil er lebt. Wer ist hier also wichtiger?«
    Sie sahen, wie Noboro außerhalb der Lagerfeuer stehenblieb und seinen zehn auserwählten Gehilfen winkte. Sie versammelten sich in einem Kreis um ihn … eine dunkle, kleine, geschlossene Festung.
    »Wolff, laufen sie zu Eve und verhindern Sie, daß sie den Kopf zu den Sklaven dreht. Von mir aus pressen Sie ihr die Augen gewaltsam zu … aber schnell, laufen Sie!« Bender gab Wolff einen Stoß in den Rücken. »Legen Sie sich auf Eve, halten Sie ihr die Ohren zu, am besten ist, Sie betäuben sie mit einem Schlag … nur weg zu ihr! Verdammt! Glotzen Sie nicht so dumm! Da braut sich etwas zusammen.«
    »Ich werde schießen«, stammelte Wolff. »Ich werde so lange schießen, bis Ordnung herrscht!«
    Er warf sich herum und hetzte zu Eve zurück. Dr. Bender preßte Putras Gewehr gegen seine Brust. Unbeweglich stand er an dem Kamel und begann laut, fast stöhnend zu atmen, als Noboro und seine zehn Männer eine Kette bildeten und auf die anderen Sklaven zugingen.
    Was in dieser Nacht geschah, war der Abschluß von Benders Leben. Was danach kam, war nur ein Weiteratmen, war die Fortsetzung eines Blutkreislaufes, weiter nichts.
    Wie die Robbentöter in Kanada, die mit Knüppeln übers Eis gehen und die Seehundbabys mit wuchtigen Hieben erschlagen, so gingen in aller Ruhe Noboro und seine Männer durch die Reihen der Sklaven und erschlugen mit den kurzen Stielen der Nilpferdpeitschen die kranken, schwachen, gebrechlichen, ausgemergelten Kameraden.
    Sie suchten und wählten peinlich genau, lichteten mit schnellen, krachenden Schlägen die Reihen, zertrümmerten die Hirnschalen … und die anderen Sklaven, die überleben durften, saßen dabei, rührten sich nicht, stierten vor sich hin, stumm, stumpf, wie aus schwarzem Ton geformt.
    Eine halbe Stunde dauerte das gespenstische Töten, hallten die krachenden Hiebe durch die Nachtstille, sanken die Opfer mit eingehauenen Schädeln nach vorn in den Sand.
    Dann war es vorbei, und Noboro kam mit leeren Händen zu Bender. Er lächelte. Bender hob das Gewehr.
    »Bleib stehen!« sagte er mühsam. »Verdammt, bleib stehen. Keinen Schritt näher! Du hast uns das Leben gerettet … aber alles hat seine Grenzen. Bleib stehen!«
    Noboro verhielt den Schritt. Breit, mit polierter Ebenholzhaut, verneigte er sich demütig.
    »Die Vorräte, Herr, stimmen wieder –«, sagte er mit seiner schönen tiefen Stimme. »Viele von uns werden das Meer erreichen.«
    »Geh weg, oder ich drücke ab!« brüllte Bender. »Du Vieh! Du schreckliches Vieh …«
    »Ich gehöre dir, Herr«, antwortete Noboro und kniete vor Bender in den Sand. »Du darfst mich töten.«
    Bender zögerte. Sein Finger lag am Druckpunkt. Nur ein leichtes Krümmen und Noboros Kopf würde zerplatzen. Putra hatte seine Gewehre mit abgeknipsten Patronen geladen, Dumdumgeschossen, die Wunden rissen, daß man in die Ausschüsse Fäuste hineinlegen konnte.
    Aber Bender schoß nicht. Er warf das Gewehr über die Schulter und rannte weg zu Dr. Wolff.
    Eve lag auf der Erde, ein Tuch über dem Kopf, und rührte sich nicht. An ihren Händen sah Bender, daß sie ohne Besinnung war.
    »Ohnmächtig geworden?« keuchte er und ließ sich neben Eve in den Sand fallen. »Sie hat alles gesehen? Sie Idiot! Sie wird nie wieder lachen können –.«
    »Ich habe ihr gegen die Schläfe geschlagen … sie hat nichts gesehen.« Wolff preßte beide Hände vor sein Gesicht. Er war an der Grenze angelangt, wo Denken in Irrsinn überschlägt. »Sind das noch Menschen?«
    Bender drehte den Rücken zu den Sklaven. Noboro und seine Männer begannen, die Toten wegzuschaffen, nicht um sie als Fleischportionen aufzuteilen, sondern um sie zu begraben. Man hatte nicht getötet, um zu essen, sondern um die vorhandenen Vorräte zu strecken.
    »Es müssen wohl Menschen sein«, sagte Bender hohl. »Wir leben doch auf keinem anderen Stern.« Er sah sein Gewehr an und warf es dann weg. »Wissen Sie, daß ich eben Noboro hätte töten können? Er kniete vor mir und bat mich, ihn zu erschießen.«
    »Und Sie haben es nicht getan?« stöhnte Wolff hinter seinen Hände.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Aus Feigheit, Wolff. Aus nackter Feigheit.« Bender warf sich nach hinten in den Sand und starrte in den herrlichen Sternenhimmel. »Wir brauchen Noboro noch. Wieviel Tage liegen noch vor uns? Keiner weiß das. Vielleicht muß
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