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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord
Autoren: Heinz G. Konsalik
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direkter Richtung nach Süden, müssen wir nach 80 Meilen den Wadi Ramah erreichen. Dieses ausgetrocknete Flußbett bildet eine natürliche Straße direkt bis zum Wadi al Masilah, dem ersten wasserführenden Fluß, den wir erreichen können.« Er faltete die Karte langsam zusammen. »Schaffen wir das, leben wir weiter. Es ist ein Fluß, der ins Meer mündet.«
    »Und schaffen wir es, Bert?« fragte Eve. Ihre Hände tasteten über den Sattel zu ihm. Sie schlangen ihre Finger ineinander und blickten sich tief in die Augen. »Sei ganz ehrlich, Liebling …«
    »Nein«, sagte Wolff und küßte ihre bebenden, sandüberkrusteten Finger. »Wir schaffen es nicht. Nicht mit hundertdreißig Sklaven. Allein – vielleicht.«
    Sie starrte ihn aus weiten Augen an. »Was sagt Bender dazu?«
    »Er hat überhaupt keine Illusionen.« Wolff sah an Eve vorbei auf Dr. Bender, der zusammen mit Noboro die Sklaven in Gruppen aufteilte und die Schwachen zu den Lastkamelen führen ließ. »Ich weiß, was du jetzt denkst, Eve. Ich habe auch daran gedacht. Ein kannibalischer Gedanke. Wir drei könnten in der Nacht wegreiten und Noboro mit seinen Leidensgenossen allein lassen. Aber das wäre der sichere Tod für alle –.«
    »Ob sie in unserer Lage die gleichen Skrupel hätten?«
    »Bestimmt nicht. Aber eine Grausamkeit wird nicht weniger bedeutend, wenn sie auch von anderen begangen werden könnte.«
    »Ich liebe dich –«, sagte Eve. »Und ich will an nichts anderes mehr denken. Nur eins habe ich gelernt: Sterben ist furchtbar. Ich möchte ewig leben, Bert.«
    Sie zog ihre Hände aus seinen Fingern, setzte sich in den Sattel und umklammerte den hohen Sattelknauf. Das Kamel wartete auf das Zeichen zum Aufstehen.
    »Bert –«, sagte sie leise. Es war, als wenn ein Blinder plötzlich Licht sieht und daran zerbricht, daß die Welt nicht dunkel ist. »Bert … wir sollten doch allein reiten. Bert, ich flehe dich an … ich will leben …«
    Er nickte und blickte zur Seite. »Ich werde Bender danach fragen. Er wird es verstehen.«
    Sie trat dem Kamel in die Seiten, es ächzte auf und erhob sich. Dann ritt sie langsam zu den Sklaven hinüber. Sie wußte, daß er log.
    Zweiundzwanzig Tage zog die Karawane durch Sand und Sonnenglut.
    Zweiundzwanzig Ewigkeiten, die überwunden wurden.
    Die Frauen saßen auf den Lastkamelen, die Schwachen hingen an Schnüren neben den Tieren, liefen mit, solange sie konnten, ließen sich dann schleifen. Sandwolken umnebelten sie, wie bleiche Säcke pendelten sie an den Kamelleinen herunter, aber wenn die Nacht kam und sie erschöpft im Sand lagen, war es das Wasser, das sie wieder zum Leben zurückholte, waren es die Suppen und Mehlfladen und Datteln, die ihnen für den nächsten Tag neue rätselhafte Kraft gaben.
    Die stärkeren Männer, an der Spitze der riesige Noboro, folgten zu Fuß den Kamelen, in Abständen singend, sich mit dem eigenen Rhythmus vorwärtsreißend, Meile um Meile überwindend, nur an der eigenen Stimme erkennend, daß man noch lebte, denn die Füße gingen von allein, Schritt um Schritt, Spuren im heißen Sand eindrückend, die wenig später der Wind wieder verwehte, wie man Krümel von einer Tischdecke fegt.
    Zum Meer! Zum Meer!
    O Gott, wo ist das Meer?
    Zweiundzwanzigmal durch die Hölle, und man lebte immer noch!
    »Es ist unsagbar, was ein Mensch aushalten kann –«, sagte Bender einmal in einer Nacht, nachdem er von einem Rundgang durch das Lager zurückgekehrt war. »Neunundzwanzig müßten nach medizinischen Erfahrungen schon tot sein … aber sie laufen weiter mit. Das erinnert mich an Stalingrad. Damals zogen zweiundneunzigtausend lebende Tote durch Eis und Schnee, bei klirrendem Frost und ohne Nahrung wochenlang durch die Steppe, kratzten das Gras unter dem Schnee hervor und fraßen es, kauten auf Holzstückchen oder kochten die Hufe der toten Pferde aus … und lebten trotzdem. Ist Ihnen Stalingrad ein Begriff, Wolff?«
    »Vom Hören. Damals wurde ich gerade geboren. Heute nennt man so etwas Wahnsinn …«
    »Wolff, einen solchen Wahnsinn durchlaufen wir gerade! Nur ist's bei uns Sand und Sonne … damals erstarrten sie zu Eisblöcken, wir schrumpfen in der Glut zusammen. Der Endeffekt ist der gleiche.« Er beugte sich vor. Wolff studierte wieder seine Karte, Eve kniete am Feuer und kochte aus Putras Vorräten Tee. Sie hatten bei seinem Lastkamel viele kleine Würfel gepreßten Tee gefunden. »Finden Sie noch unsere Richtung?«
    »Nach der Karte müßten wir längst am Wadi Kamah
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