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Angélique - Hochzeit wider Willen

Titel: Angélique - Hochzeit wider Willen
Autoren: A Golon
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Kapitel 1
    1656
    D ie Kutsche, in der Angélique zwischen Marguerite, der Kammerfrau, und dem Marquis d’Andijos saß, war mit Kissen und Decken aus edlem Stoff ausgestattet, aber sie vermochte diesen für sie neuen Komfort nicht zu schätzen. Die ganze Nacht hatte sie kein Auge zugetan. Noch lange nach der Szene in der Scheune hatte sie auf ihrem Platz an der Festtafel gesessen und den Gästen, die sich noch rühren konnten und zu ihr kamen, um ihr Komplimente über das gelungene Fest zu machen oder sich von ihr zu verabschieden, Rede und Antwort gestanden. Als sie sich endlich ins Schloss zurückziehen konnte, war nur noch Zeit gewesen, sich umzukleiden, aber keine Möglichkeit mehr, sich auf einem Bett auszustrecken und ein wenig zu ruhen. Die Stunde des Aufbruchs nahte.
     
    Der Brauch gebot, dass Frischvermählte flüchteten, um volkstümlichen Streichen zu entgehen, und die Edelleute aus dem Süden hatten sich heldenhaft aus ihrem trunkenen Schlummer aufgerafft, ihre Reittiere bestiegen und ihre Leute zusammengetrommelt, um die Wagenkolonne für die Rückreise aufzustellen.
    Nach dem skandalösen Vorfall mit Nicolas war Angélique noch ganz benommen gewesen, als sie in die Kutsche stieg und sich von den Familienmitgliedern verabschiedete, die im Dunkel an die Wagenschläge gekommen waren.

    Schwankend und knarrend hatte die von vier kräftigen Pferden gezogene Karosse die Zugbrücke überquert und in dem flaumigen Nebel, der über der dunklen Landschaft lag, rasch an Geschwindigkeit gewonnen.
    Angélique wusste, dass sie Monteloup für immer verließ, aber sie war nicht in der Lage, diesbezüglich einen klaren Gedanken zu fassen. Ab und an schoss ihr bei der Erinnerung heiß das Blut in die Wangen. Tante Jeanne, diese verrückte Alte, war schuld daran, dass Guillaume Lützen gesehen hatte, wie sie, Angélique, sich mit einem Knecht im Heu wälzte. Dieses Bild erfüllte sie mit Scham und Zorn zugleich.
    Außerdem empfand sie ein beinahe schmerzliches Gefühl der Enttäuschung und vor allem des Versagens. Sie hatte sich diesem urtümlichen Begehren ergeben wollen, doch sie hatte nicht erreicht, was sie wollte. Nun würde man sie diesem schrecklichen Ehemann, den man ihr aufgezwungen hatte, als Jungfrau überantworten. Immer noch grollte sie ihrer Tante Jeanne.
    »Die verrückte, boshafte Alte! Sie hat ihren Schachzug gut geplant!«
     
    Als der Tag anbrach, wurde Angélique erst richtig bewusst, was mit ihr geschah.
    Sie ging fort. Sie ging fort! Sie verließ Monteloup für immer.
    Aber noch befanden sie sich in ihrem heimischen Landstrich. Vier Kutschen und vier schwere Karren rollten in Richtung Niort. Angélique konnte kaum glauben, dass dieses ganze Aufgebot an Pferden und Kutschern, an Geschrei und knarrenden Rädern zu ihren Ehren veranstaltet wurde. Unvorstellbar, dass so viel Staub um Mademoiselle de Sancé aufgewirbelt wurde, die bis jetzt immer nur einen alten, mit einer Pike bewaffneten Söldner zur Eskorte gehabt hatte.
    Die Dienstboten, Lakaien, Kammerdiener, Zofen und Musiker
saßen auf den großen Karren zwischen dem Gepäck zusammengedrängt. Auf der sonnenbeschienenen Straße zwischen den blühenden Obstgärten sah man diese gebräunten Gesichter vorbeiziehen. Gelächter, Gesang und Gitarrenklänge wehten hinter ihnen her und verbreiteten zusammen mit dem Geruch der Pferdeäpfel einen Hauch von Unbekümmertheit. Die Kinder des Midi kehrten in ihren leuchtenden Süden zurück, der von dem Duft nach Knoblauch und Wein erfüllt war.
    In dieser fröhlichen Gesellschaft legte allein Maître Clément Tonnel eine steife Haltung an den Tag. Er war für die Woche vor der Hochzeit als Aushilfe angestellt worden und hatte darum gebeten, man möge ihn nach Niort mitnehmen, damit er sich keine Eskorte zu mieten brauchte. Doch schon am Abend des ersten Reisetages wurde der Haushofmeister bei Angélique vorstellig. Er erbot sich, in ihren Diensten zu bleiben; entweder als Haushofmeister oder als Kammerdiener, und erklärte, er habe in Paris bei einigen vornehmen Herren gedient, die er auch namentlich bezeichnete. Doch dann sei er nach Niort gereist, woher er stamme, um den Nachlass seines Vaters, eines Fleischers, zu regeln, und ein intriganter Diener habe unterdessen seine Stelle besetzt. Seitdem suche er nach einem ehrlichen Haus von einigem Rang, um dort erneut seine Stellung auszuüben. Mit seiner Diskretion und Erfahrung hatte er sich das Wohlwollen von Marguerite, der Kammerfrau, erworben. Diese
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