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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach Norden, Süden, Westen oder Osten – es bleibt sich gleich. Wir sind mitten in der Hölle … wohin wir auch ziehen, wir können nur gewinnen, nichts mehr verlieren. Und die Küste ist am sichersten. Im Inneren des Landes wartet man auf die Sklaven, welche Chance haben wir, gegen ganze arabische Stämme zu kämpften?«
    »Keine, Wolff.«
    »Aber an der Küste wagt es niemand mehr, uns aufzuhalten. Wir müssen versuchen, uns bis zum Meer durchzuschlagen.«
    »Das heißt: Disziplin! Eiserne Disziplin unter diesen Menschen, die nur gelernt haben, zu gehorchen.« Bender blickte über die dichte Masse der Sklaven. Über hundert brennende Augenpaare starrten ihn an. Eine Mauer aus Köpfen, in denen nur noch ein Gedanke herrschte: Freiheit! »Sie ahnen, was das heißt, mein Junge?«
    Wolff nickte zögernd. Das ist verrückt, dachte er. Mit systematischem Mord werden wir in das Leben zurückgeholt, und wie sieht dieses Leben aus? Man hat nur die neuen Sklaventreiber befreit. Welch eine Perfidie des Schicksals.
    »Es bleibt also alles beim alten?« sagte er bitter.
    »Sie sind noch so jung, Wolff.« Bender bückte sich und riß das Messer aus Putras Brust. »So jung, daß Sie entsetzt sind, wenn Sie das Leben plötzlich so sehen, wie es ist: Voll gräßlichen Hohns! Was Sie jetzt hier im kleinen erleben, geschieht im großen täglich, und man nennt es Politik, Staatskunst, bekommt Orden dafür, hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern: den Menschen zu zwingen, Mensch zu sein! Glauben Sie, mir macht es Spaß, jetzt Chef einer Sklavenkarawane zu sein? Man hat uns in dieses Amt hineingestoßen, und nun stecken wir bis zum Hals in Blut und Tränen und müssen durch … Was glauben Sie, was geschieht, wenn wir diese Menschen jetzt losbinden? Soll ich es Ihnen sagen? Sie werden sich auf die Lastkamele stürzen, alles plündern, was greifbar ist, sie werden die Wassersäcke leersaufen, die Vorräte auffressen, sie werden eine Orgie des Lebens veranstalten …«
    »Kann man es ihnen verübeln, Bender?«
    »Natürlich nicht. Aber was bleibt? Was kommt hinterher? Der große Katzenjammer, die noch größere Angst des Überlebens, der Hunger, der Durst, der Kampf Mann gegen Mann … sie werden sich gegenseitig zerfleischen, um selbst die Chance zu haben, an das Meer zu kommen. Nichts auf der Welt ist rücksichtsloser und gemeiner als ein Mensch in seiner Angst.«
    Wolff drückte Eve fester an sich und blickte hinunter auf Noboro. Der riesige Nubier hockte im Sand, als sei er ein verglühter Felsen.
    »Machen Sie ihm das mal klar, Bender …«, sagte er.
    »Vielleicht begreift er es.« Bender trat an Noboro heran. Der Neger hob den Kopf, seine schwarzen Augen bettelten um Mitleid. Das war eine so plötzliche Erkenntnis, daß Bender jedes Wort im Hals steckenblieb. »Noboro –«, sagte er endlich auf englisch. »Wir sind frei. Aber wenn ich deine Brüder losbinde, werden sie alles zerstören, was sie für den Marsch ans Meer brauchen.«
    »Ich weiß es, Herr.« Noboro nickte. »Sie haben Hunger und Durst. Mit Hunger und Durst wird eine Maus zum Löwen.«
    »Sie werden sich gegenseitig fressen.«
    »Ich weiß es, Herr.«
    »Erkläre ihnen, daß sie mehr Wasser und mehr Essen bekommen, daß sie aus dem Joch kommen, aber daß sie Sklaven bleiben, bis wir an der Küste sind. Erkläre ihnen: Bis jetzt waren sie gefesselt, um wie Tiere verkauft zu werden … jetzt bleiben sie gefesselt, um wieder Menschen zu werden.«
    »Das ist absurd –«, sagte Wolff, »daß man heulen möchte.«
    »Dann heulen Sie los, mein Junge.« Bender drückte das Gewehr unter seine Achsel. »Glauben Sie mir – ich habe selbst die meiste Angst vor dem Ausgang dieses Abenteuers, aber man hat uns die Verantwortung aufgezwungen, und nun heißt es, logisch zu denken. Noboro –«, er stieß den Nubier mit dem Fuß an. Der hingekauerte Riese stand auf – es war, als spiegele sich die Sonne auf seiner schwarzen, glänzenden Haut. »Geh zu ihnen und sage ihnen, daß wir in einer Stunde weiterziehen.«
    Noboro nickte und ging langsam zu dem wartenden Block seiner Freunde. Man sah ihm an, wie schwer ihm dieser kurze Weg war … es war, als überwinde er Gebirge, auf dessen Höhen ihn immer wieder die Faust eines Sturmes zurückwarf.
    »Kommen Sie«, sagte Bender mit belegter Stimme. »Wir müssen Putra begraben. Eve, lassen sie Wolff los. In der Wüste sind Denkmäler, auch wenn sie Liebende darstellen, fehl am Platze. Ich garantiere Ihnen: Was wir bisher
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