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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hände in die Hosentaschen. Sein ausgewaschener Drillichanzug, den er bisher getragen hatte, war eine Zusammenfügung von Stoffetzen geworden, deren Zusammenhalt ein Rätsel für sich war. Aber auch Wolff sah nicht besser aus … sein ehemals weißer Anzug schlotterte ihm um den mager gewordenen, ausgetrockneten Körper. Beiden Männern wucherte ein dichter Bart über das Gesicht … bei Bender weiß, bei Wolff hellblond.
    »Ein Bad, rasieren und eine Woche in einem eisgekühlten Bett schlafen … das werde ich machen, Wolff«, sagte Bender. »Und Sie? Werden Sie weiter als Schiffsarzt über die Meere gondeln?«
    »Nein. McHollands Erbe verpflichtet mich, seßhaft zu werden.«
    »Und ich …«, sagte Eve.
    »Und du.« Er zog Eve an sich. »Ich habe mir gedacht, daß ich irgendwo eine Praxis aufmache. Eine Landpraxis, Dr. Bender. Mitten in der Natur … Wiesen, Felder, Wälder … ich habe ja nie gewußt, wie herrlich ein Baum sein kann, wie wundervoll eine grüne Wiese, wie göttlich eine Blume, wie unbegreiflich ein wogendes Kornfeld. Hier habe ich es gelernt. Ich werde mir ein Haus mitten im Grünen bauen, mit einem Zaubergarten voller Blumen drumherum, und jeden Tag werde ich darin herumwandern und Gott danken, dieser Wüste entronnen zu sein. Ja, noch eins!« Wolff reichte Bender seine Hand hin. »Schlagen Sie ein, Dr. Bender.«
    »Gerne. Aber wozu?«
    »Eve und ich haben beschlossen, ein Doppelhaus zu bauen. Links Praxis Dr. Wolff … rechts Praxis Dr. Bender …«
    »Sie sind verrückt, mein Junge.« Bender wandte sich ab. Rührung überkam ihn, sein gegerbtes Gesicht zuckte, und das sollte niemand sehen. Er holte tief Atem, damit seine Stimme wieder fest wurde.
    »Ich bin ein alter Mann, ihr Spinner! Alte Männer sind gräßlich, sie nörgeln herum, sind mit allem unzufrieden, wissen alles besser, fallen einem zur Last, sind eine Strafe Gottes für einen jungen Menschen. Das kennen Sie noch nicht, Wolff.«
    »Wo wollen Sie denn hin, Dr. Bender? Sie haben keinen mehr auf dieser Welt.«
    »Es gibt überall eine Ecke, wo ein alter Mann seine Stunde abwarten kann.«
    »Und das soll Ihr Lebensende sein? Nach einem solchen Leben? Nein! Schlagen Sie ein, Dr. Bender … wir bauen zusammen an der Zukunft.«
    Bender schüttelte langsam den Kopf. Er suchte sichtlich nach Worten, und als er sie gefunden hatte, war seine Stimme völlig verändert.
    »Das ist es nicht, Wolff. Sie sind der sympathischste junge Mann, den ich bisher kennengelernt habe, und Eve ist ein Wunder an Frau. Sie könnten beide meine Kinder sein, und ich wäre stolz auf sie. Aber ich habe Sie belogen, das ist es.«
    »Was es auch ist, vergessen Sie es, Dr. Bender«, sagte Wolff herzlich. Er hielt noch immer seine Hand hin. Bender seufzte.
    »Als ich damals von Bord der ›Fidelitas‹ ging, habe ich Sie belogen. Ich bin nicht ausgestiegen, weil mich der alte, auf Luxus bemalte Kasten anwiderte oder ich es einfach satt hatte, nach 33 Jahren Seefahrt noch einmal übers Meer zu schaukeln – nein, ich mußte weg! Ich spürte es seit zwei Jahren, und wie Ärzte sind: Vor sich selbst machen sie alle Augen zu … die zwei äußeren und die zwei inneren auch. Dabei war mir die Diagnose klar, ich bin ja kein Idiot. Und den Fortlauf der Dinge kann man auch fast exakt bestimmen. Mir blieb keine andere Wahl, als aufzugeben. Es war das erste und letzte Mal, daß ich kapitulierte – aber es ist eine ehrenhafte Kapitulation nach einem Kampf bis zum Letzten.«
    »Ich weiß –«, sagte Dr. Wulff ruhig. »Sie haben Krebs. Leberkrebs.«
    Bender fuhr herum. »Sie wissen es? Wer hat Ihnen das verraten?«
    »Auch ich bin kein Idiot, Dr. Bender.« Wolff lächelte verzerrt. »Die Gelbfärbung Ihrer Augen, Ihre Haut … als Sie einmal wie ein Toter schliefen, habe ich Ihre Leber sogar abgetastet, und Sie haben es nicht gemerkt.«
    »Haben Sie den Tumor gespürt?«
    »Er ist deutlich zu lokalisieren. Aber was ändert das an meinem Angebot?«
    »Junge, ich werde Ihnen in absehbarer Zeit zur Last fallen. Ich bin unheilbar. Sie reden von Zukunft … Sie haben sie, ich nicht mehr. Wollen Sie wertvolle Jahre – vielleicht sind's auch nur Monate – dadurch verschenken, daß Sie mich pflegen?«
    »Ja, Dr. Bender«, sagte Eve laut. »Genau das wollen wir.«
    »Oder haben Sie gedacht, wir lassen Sie in irgendeiner Ecke sterben wie einen heimatlosen Hund?«
    Bender wandte sich wieder ab und starrte zu dem Gebirge. »Hört auf damit –«, sagte er leise. »Verdammt, hört auf damit.
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