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Der General des Varus (HISTORYA) (German Edition)

Der General des Varus (HISTORYA) (German Edition)

Titel: Der General des Varus (HISTORYA) (German Edition)
Autoren: Aurélie Engel
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    Der General des Varus
     
     
     
     
    Germanien im Jahre neun nach Christus
     
    Nebel waberte über das dichte Unterholz und streckte seine milchigen Finger an den dunklen uralten Stämmen der Bäume hinauf, als Juna ihre Röcke raffte und einen ausladenden Schritt über einen großen Ast machte. Der Weg durch den Teutoburger Wald war mühselig und auch nicht ungefährlich, doch wollte man die schmackhaften Pilze sammeln, die dort wuchsen, so blieb einem nichts anderes übrig. Und bevor die verhassten Römer mit ihren Pferden hier alles platt trampeln würden, wollte Juna sich noch schnell eine stattliche Ausbeute sichern. Die Winter in Germanien waren lang und hart, da brauchte man Vorräte und seien es nur ein paar getrocknete Pilze, die jedem noch so faden Getreidebrei ein wenig Geschmack verleihen konnten.
    Ihr Vater hatte sich fürchterlich aufgeregt, da niemand genau wusste, wie nah die drei Legionen der Römer schon waren, doch Juna hatte mal wieder ihrem Dickkopf alle Ehre gemacht und war bei Sonnenaufgang mit einem Eimer bewaffnet losmarschiert. Sie liebte diese mystische Stille, die über den jahrhundertealten Bäumen lag. Und wenn sich das erste zarte Tageslicht durch die Äste kämpfte, hatte der Wald fast etwas Magisches, Unwirkliches, wie eine vergessen geglaubte Zwischenwelt, in der all die Geschichten von Trollen, Baumgeistern und anderen Zauberwesen wahr wurden.
    Der Tau auf den Gräsern färbte ihre ledernen Stiefel dunkel, als Juna sich nach den ersten Pilzen bückte und sie geschickt mit einer kleine Sichel knapp über dem Boden abtrennte. Sie ließ gerade die kleinen braunen Köpfe in den Eimer fallen, als ein Geräusch sie plötzlich innehalten ließ. Natürlich war es im Wald niemals völlig still. Insekten summten in hohlen Astlöchern, kleine Nagetiere raschelten im Unterholz und der Wind sandte ein stetiges leises Rauschen durch die Baumkronen. Doch dieses Geräusch eben gehörte nicht zu der gewohnten Kulisse. Wie in Zeitlupe richtete sich Juna ein wenig mehr auf und lugte hinter dem mächtigen Stamm einer Eiche hervor. Und da war es wieder! Zweige knackten, so als ob sich jemand bemühte, lautlos zu gehen, aber den Wald dafür nicht gut genug kannte. Und dann schnaubte ein Pferd. Erschrocken tauchte Juna wieder hinter ihre Eiche.
    Dort hinten war jemand! Und dieser jemand schien mit dem Gelände nicht vertraut, denn er bewegte sich so linkisch, dass er nicht zu überhören war! Juna stellte lautlos den Eimer zur Seite, umgriff ihre goldene Sichel etwas fester und lugte dann ein zweites Mal in Richtung der Geräusche.
    Zuerst sah sie nur einen purpurroten Umhang, doch das genügte ihr schon. Ein Römer!
    Sie keuchte erschrocken und musste den spontane Impuls, aufzuspringen und zu fliehen, mühsam unterdrücken. Was tat ein einzelner Soldat allein hier in den Tiefen des Teutoburger Waldes?
    Juna sah ihm zu, wie er sorgfältig den Boden nach Spuren absuchte und sein Pferd dabei locker am Zügel hinter sich her führte. Dieses war mit seitlichen Satteltaschen beladen und sie vermutete, dass er dort seine Waffen verstaut hatte. Der Mann war groß und sie konnte erkennen, dass sein Haar dunkel war, denn seinen Helm hatte er ebenfalls seitlich an seinem Pferd befestigt.
    Sie betrachtete ihn mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen und bemerkte so nicht, dass er fast genau auf sie zu kam.
    Als Juna es endlich bemerkte und beschloss zu fliehen, war es bereits zu spät. Ihr Herz sprang ihr fast aus der Brust, als sie erkannte, dass er genau an ihr vorbeikommen würde. Und dann würde er sie wie ein Häufchen Elend kauernd auf dem Boden vorfinden. Juna straffte die Schultern. Dafür, dass er sie vermutlich sowieso vergewaltigen und töten würde, konnte sie sich ihm ebenso gut wehrhaft entgegenstellen. Sie war eine stolze Germanin und germanische Babys wurden praktisch mit einer Waffe in der Hand geboren! Juna schaute auf ihre schmale Goldsichel, dann seufzte sie leise. Warum hatte sie bloß ihr Schwert zuhause gelassen? 
    Juna hatte keine Angst vor dem Tod, denn in der Totenwelt wartete ihre Ahnen auf sie, um sie an den ewigen Herdfeuern willkommen zu heißen. Aber die Vorstellung, so schlecht bewaffnet und unehrenhaft von dieser Welt zu gehen, gefiel ihr ganz und gar nicht.
    Mittlerweile war der Römer so nah, dass sie den Atem seines Pferdes hören konnte. Nur noch wenige Augenblicke und er würde sie zusammengekauert wie ein mutterloses Rehkitz hinter dieser Eiche finden.
    „
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